Liebe Leserinnen und Leser,

liebe Interessierte an einer neuen Handelspolitik,

 

hiermit erhalten Sie den ersten Newsletter des Netzwerks Gerechter Welthandel.

In den vergangenen Jahren hat sich eine breite Bewegung gegen neoliberale Handelspolitik entwickelt. Um den Protest fortzusetzen und den dringend nötigen Kurswechsel in der Handelspolitik voranzutreiben, wurde im April das „Netzwerk Gerechter Welthandel“ gegründet. Es ist hervorgegangen aus dem zivilgesellschaftlichen Bündnis „TTIP unfairhandelbar“ und dem Trägerkreis der bundesweiten TTIP-Demos, an denen in den Jahren 2015 und 2016 hunderttausende Menschen teilgenommen haben. Mehr über unsere politischen Forderungen erfahren Sie in unserem Positionspapier sowie im Forderungspapier zur Bundestagswahl, das wir an alle Abgeordneten verschickt haben.

In diesem Newsletter berichten wir in aller Kürze über aktuelle Geschehnisse in der Handels- und Investitionspolitik und weisen auf relevante Termine und Publikationen hin.

 

 

+ + + CETA: Vorläufige Anwendung + + +

Schon morgen, am 21. September 2017, wird das Handels- und Investitionsabkommen der EU mit Kanada (CETA) vorläufig angewandt. Das Abkommen war bereits im Oktober letzten Jahres unterzeichnet und im Februar vom Europäischen Parlament angenommen worden. Da CETA auch Regelungen für Bereiche enthält, für die in der EU die einzelnen Mitgliedstaaten zuständig sind, müssen auch diese das Abkommen ratifizieren. Dieser Prozess dauert Jahre – zu lange für den freihandels-freundlichen EU-Außenministerrat. Er hat daher die Möglichkeit im EU-Recht genutzt, die es erlaubt, diejenigen Teile des CETA-Abkommens, die allein in der Zuständigkeit der EU liegen, bereits vorläufig anzuwenden: Sie sind ab dem 21. September rechtsgültig – obwohl die Mitgliedstaaten CETA noch nicht ratifiziert haben. Dies betrifft unter anderem die Regelungen zur Öffnung der Märkte für landwirtschaftliche Produkte und zu den geografischen Herkunftsangaben – nicht aber den Investitionsschutz und insbesondere die Regelungen zu den Investor-Staats-Schiedsgerichten.

Als Netzwerk Gerechter Welthandel fordern wir, das Instrument der vorläufigen Anwendung durch eine Vertragsänderung für Handels- und Investitionsschutzabkommen abzuschaffen und bis dahin nicht weiter zu nutzen. Dieses Instrument war für Notfall- und Dringlichkeitssituationen bei anderen internationalen Abkommen eingeführt worden, nicht jedoch für Handels- und Investitionsabkommen. In erster Linie fordern wir jedoch eine neue Handelspolitik, die soziale und ökologische Leitplanken für die Globalisierung setzt sowie eine Ablehnung aller Abkommen, die diese Bedingung nicht erfüllen.

 

 

+ + + Der Protest geht weiter! + + +

Regelungen wie der Investitionsschutz oder die regulatorischer Kooperation in CETA unterliegen nicht der vorläufigen Anwendung. Sie gelten erst nach der Ratifizierung des Abkommens durch die Parlamente aller EU-Mitgliedstaaten. In Deutschland müssen sowohl Bundestag als auch Bundesrat grünes Licht geben. Und genau dort kann CETA noch gestoppt werden! Das belegt ein im Juli veröffentlichtes Gutachten des renommierten Staatsrechtlers Prof. Martin Nettesheim. Demnach genügen 35 Enthaltungen oder Nein-Stimmen im Bundesrat, um CETA scheitern zu lassen. Wenn Bündnis 90/Die Grünen und die LINKE ihr Versprechen halten und die Landesregierungen, in denen sie beteiligt sind, sich mindestens enthalten, sind diese Stimmen erreichbar!

Für uns heißt das: Lautstarker Protest ist somit weiterhin richtig und wichtig! Um die politischen Parteien zu einem konsequenten „Nein!“ zu CETA aufzufordern und unsere Forderungen nach einer gerechten Handelspolitik in den Wahlkampf zu tragen, hatte das Netzwerk Gerechter Welthandel gemeinsam mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und weiteren Organisationen für den 9. September zu einem bundesweiten dezentralen CETA-Aktionstag aufgerufen. Nahezu 40 lokale Bündnisse von Kiel bis Konstanz, von Aachen bis Berlin haben sich beteiligt und mit Infoständen, Demonstrationen und kreativen Aktionen zu einem bunten Aktionstag beigetragen.

 

 

+ + + CETA vor dem EuGH + + +

Die belgische Region Wallonien hatte bereits im Oktober letzten Jahres dafür gesorgt, dass CETA erst mit einiger Verspätung unterzeichnet werden konnte. Wie damals angekündigt, wird Belgien nun den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu einem Rechtsgutachten auffordern: Er soll prüfen, ob der Investitionsschutz in CETA mit dem EU-Recht vereinbar ist. Das Rechtsgutachten des EuGH ist für die EU verbindlich. Sollte der EuGH das Investor-Staats-Schiedsgerichtssystem in CETA für unvereinbar mit dem EU-Recht erklären, wäre der vorliegende Vertragsentwurf gescheitert – er müsste mindestens nachverhandelt und neu ratifiziert werden. Mit einer Stellungnahme des Gerichts ist frühestens in eineinhalb Jahren zu rechnen.

 

 

+ + + JEFTA + + +

Über 20 Freihandels- und Investitionsschutzabkommen will die EU in den nächsten Jahren verhandeln. Darunter ist auch das Abkommen mit Japan JEFTA (Japan-European Union Free Trade Agreement). Nach dem Willen der Europäischen Kommission sollen die Verhandlungen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Das Abkommen wird seit 2013 verhandelt – und zwar mindestens so intransparent wie TTIP und CETA. Es enthält Bestimmungen zu privaten Schiedsgerichten sowie zur regulatorischen Kooperation, die großen Konzernen erheblichen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess ermöglichen würde. Insbesondere beim Vorsorgeprinzip wie beispielsweise der Zulassung von Pestiziden sowie beim Datenschutz drohen Absenkungen der Standards. In Japan würde ganz besonders der Landwirtschaftssektor unter dem Abkommen leiden.

 

 

+ + + Globales ISDS + + +

Derzeit verfolgt die EU-Kommission den Plan, Handels- und Investitionsabkommen in Zukunft getrennt zu verhandeln. Handelsabkommen würden dann keine Klauseln zu Konzernklagerechten mehr enthalten und könnten von den EU-Institutionen ohne Anrufung der nationalen Parlamente verabschiedet werden. Investitionsschutzabkommen würden dann separat verhandelt werden und müssten durch EU-Rat, EU-Parlament und die nationalen Parlamente ratifiziert werden. Langfristig soll aber ein sogenannter „Multilateraler Investitionsgerichtshof“ (MIC) eingerichtet werden, der die problematischen Konzernklagerechte international legitimieren, festschreiben und weiter ausweiten würde. Einen ersten Entwurf für ein Verhandlungsmandat zum MIC hat die EU-Kommission kürzlich veröffentlicht.

 

 

+ + + Veröffentlichungen + + +

„Der große Etikettenschwindel“

Der Protest gegen TTIP und CETA muss weitergehen. Im Widerstand und für die Alternativen müssen die Arbeitsrechte eine noch viel größere Rolle spielen.

Von Werner Rügemer, ver.di Publik 5/2017

http://publik.verdi.de/2017/ausgabe-05/gewerkschaft/brennpunkt/seite-3/A0

 

JEFTA: Konzernlobbyisten lassen nicht locker

Die regulatorische Kooperation in JEFTA greift umfassend in die Entwicklung von Gesetzgebung und Verordnungen ein.

Analyse von LobbyControl, CEO, AITEC und PowerShift

https://power-shift.de/jefta-konzernlobbyisten-lassen-nicht-locker/

 

Schmutz statt Argumente: Bericht dokumentiert Diffamierungskampagne gegen TTIP-Kritiker

„Panikmache“, „Desinformation“, „Anti-Amerikanismus“: Als Konzernlobbyisten die Argumente gegen die Kritik an TTIP und CETA ausgingen, versuchten einige von ihnen, die handelskritische Bewegung mit anderen Mitteln zu diskreditieren.

Bericht von LobbyControl und Corporate Europe Observatory

https://www.lobbycontrol.de/2017/09/schmutz-statt-argumente-bericht-dokumentiert-diffamierungskampagne-gegen-ttip-kritiker/

 

Unsere Antwort an Frau Malmström

Eine schriftliche Diskussion zwischen Campact und der Handelskommissarin Cecilia Malmström zu den Vorschlägen einer progressiven Handelspolitik.

https://blog.campact.de/2017/09/unsere-antwort-an-frau-malmstroem/

 

 

+ + + Termine + + +

22./23.9. Frei und fair? Internationaler Agrarhandel im Interesse von Mensch und Umwelt

Tagung in der Evang. Tagungsstätte Hofgeismar

http://www.akademie-hofgeismar.de/programm/detailansicht.php?category=start&exnr=17061

 

 

 

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