Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Regierungen haben sich auf UN-Nachhaltigkeitsziele verpflichtet, Konzerne geben Nachhaltigkeitsberichte heraus – und auch die Handelspolitik soll jetzt nachhaltig werden, so das erklärte Ziel der EU-Kommission. Im Handelsabkommen der EU mit Südkorea, das 2011 vorläufig in Kraft trat, war erstmals ein so genanntes Nachhaltigkeitskapitel enthalten, seitdem wird auf verschiedenen Ebenen über Sinn und Zweck dieser Kapitel und deren genaue Ausgestaltung diskutiert.

Vor diesem politischen Hintergrund fand das 18. Zivilgesellschaftliche Außenwirtschaftsforum im März 2018 in Berlin statt, das mit etwa 100 Gästen im Konferenzsaal der Vertretung des Europäischen Parlaments stattfand. Die erste Keynote hielt Bernd Lange, Mitglied des Europäischen Parlaments in der sozialdemokratischen Fraktion und Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel (INTA). Bernd Lange legte 2017 gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und Juristen der Uni Göttingen ein Modellkapitel für den Schutz von Arbeitsstandards in Handelsabkommen vor und brachte damit einen konkreten Vorschlag in die Debatte ein. In seinem Redebeitrag wies er darauf hin, dass Nachhaltigkeitskapitel kein „Feigenblatt“ sein dürften, die einfach an das restliche Abkommen angehängt würden, sondern dass umfassendere Änderungen nötig seien. Dennoch gelte es, am bestehenden System anzuknüpfen und die Abkommen zu gestalten. Sein Modellkapitel stelle unter anderem sicher, dass Gewerkschaften ihre Rechte einklagen und dass Verletzungen von Arbeitnehmerrechten durch Strafzahlungen sanktioniert werden können.

Die zweite Keynote hielt Alessa Hartmann von PowerShift. Das Nachhaltigkeitskapitel im EU-Südkorea-Abkommen sowie seine Bewertung als „sehr gut“ durch die EU-Kommission bewertete sie angesichts der Massenverhaftungen von Streikenden in Südkorea als „Farce“. Auch im Umweltbereich sei das Abkommen alles andere als nachhaltig: Für die nach Südkorea exportierten Autos gelten EU-Emissionsstandards – auch dann, wenn Südkorea die Standards weiterentwickelt. Dies gelte auch für Dieselautos, darauf habe die EU-Kommission bei den Verhandlungen bestanden – obwohl sie zu diesem Zeitpunkt schon um die Manipulationen bei Dieselautos wusste. Doch auch unabhängig von diesen konkreten Beispielen seien Nachhaltigkeitskapitel „der falsche Weg“: Durch ihre strukturelle Unterordnung unter die Profitmaximierung führten sie gerade nicht zu dem, was wirklich notwendig wäre: eine Ausrichtung der ganzen Handelsabkommen am übergeordneten Ziel der nachhaltigen Entwicklung.

Nach diesen konträren Keynotes begann die Podiumsdiskussion, an der neben Bernd Lange Stefan Körzell (DGB), Jürgen Knirsch (Greenpeace), Christiane Grefe (Buchautorin und Journalistin) sowie Katharina Reuter (UnternehmensGrün) teilnahmen und die von Anna Cavazzini (Brot für die Welt) moderiert wurde. Einigkeit bestand darin, dass die EU-Kommission bisher keine ausreichenden Bemühungen gezeigt hat, die Debatte um eine nachhaltigere Handelspolitik voranzubringen und dabei alle Stimmen zu berücksichtigen. Einigkeit bestand auch darin, dass Verstöße gegen die Nachhaltigkeitsbestimmungen mit Sanktionen geahndet werden müssten. Differenzen gab es unter den Podiumsteilnehmer/innen insbesondere bei der grundsätzlichen Einschätzung der Möglichkeiten und Potentiale von Nachhaltigkeitskapiteln. Von zivilgesellschaftlicher Seite wurde kritisiert, dass die Kapitel lediglich kosmetische Veränderungen erreichen, ohne jedoch die neoliberale Ausrichtung der Handelsabkommen und das Ziel, neue Märkte zu schaffen und Investoren mit weitreichenden Rechten auszustatten, zu verändern.

 

Material:

 

Weitere Fotos auf den Seiten von UnternehmensGrün

 

Einladung und Programm:

Wird die EU-Handelspolitik jetzt nachhaltiger?

  1. Zivilgesellschaftliches Außenwirtschaftsforum in Berlin

Am 5. März 2018 von 18 bis 21 Uhr

In der Vertretung des Europäischen Parlaments in Deutschland (Unter den Linden 78, 10117 Berlin), Konferenzsaal 1. OG

 

Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Regierungen haben sich auf UN-Nachhaltigkeitsziele verpflichtet, Konzerne geben Nachhaltigkeitsberichte heraus, Nachhaltigkeit ist chic. Nun soll auch die Handelspolitik nachhaltig werden – so das erklärte Ziel der EU-Kommission. Künftige Freihandelsabkommen sollen auch ein Nachhaltigkeitskapitel enthalten, mit dem sichergestellt werden soll, dass genau das nicht eintritt, was Kritiker immer anklagen: nämlich, dass die Handelspolitik die Nachhaltigkeitsziele konterkariert.

Aber die Skepsis bleibt: kann man ein Freihandelsabkommen nachhaltiger machen, wenn man an seiner Substanz nichts ändert, aber ein Nachhaltigkeitskapitel hinzufügt? Muss man nicht vielmehr die Zielsetzungen solcher Abkommen neu justieren? Andererseits: Ist ein Nachhaltigkeitskapitel nicht endlich ein erster Schritt in die richtige Richtung, den man begrüßen sollte?

Darüber wollen wir beim 18. Zivilgesellschaftlichen Außenwirtschaftsforum diskutieren. Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses des Europaparlaments, stellt ein Modellkapitel für Arbeitsstandards in Handelsabkommen vor – und sich der Diskussion.

 

Programm

17:30 Uhr: Einlass und Registrierung

18:00 Uhr: Beginn

Begrüßung – Jürgen Maier (Forum Umwelt und Entwicklung)

Keynote 1 – Bernd Lange (MEP, S&D)

Keynote 2 – Alessa Hartmann (PowerShift)

 

18:45 Uhr: Diskussionsrunde mit:

Bernd Lange (MEP, S&D)

Stefan Körzell (Deutscher Gewerkschaftsbund)

Jürgen Knirsch (Greenpeace)

Christiane Grefe (Buchautorin und Journalistin bei der ZEIT)

Dr. Katharina Reuter (UnternehmensGrün)

Moderation: Anna Cavazzini (Brot für die Welt)

 

Ab 20:15 Empfang

 

Bitte melden Sie sich bis 28. Februar für die Veranstaltung an bei bundschuh@forumue.de.

Bitte bringen Sie zum Einlass ein gültiges Ausweisdokument mit und planen Zeit für die Registrierung ein.

 

Die Einladung als pdf-Dokument herunterladen.