Unter dem Motto #AlleFürsKlima ruft Fridays for Future gemeinsam mit vielen anderen für den 20. September 2019 zum globalen Klimastreik auf. Auch als Netzwerk Gerechter Welthandel unterstützen wir die Proteste und fordern die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens sowie ein ambitioniertes Vorgehen gegen den Klimawandel. Die aktuelle Handelspolitik der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten ist dabei kein Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

 

Im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 verpflichteten sich die Staaten auf konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz. Die EU-Kommission sorgte bei den Verhandlungen jedoch dafür, dass eine ausdrückliche Erwähnung von Handelsfragen vermieden wurde und verwies stattdessen auf die Welthandelsorganisation (WTO) – die sich für das Thema Handel und Klima allerdings nicht zuständig fühlt. Gleichzeitig verhandelt und beschließt die EU-Kommission verschiedene Freihandels- und Investitionsschutzabkommen, deren Vorgaben einem effektiven Klimaschutz häufig im Wege stehen. Diese Abkommen verfolgen das Ziel, den internationalen Handel durch den Abbau von Zöllen und sogenannten „nicht-tarifären Handelshemmnissen“ zu begünstigen und auszubauen. Die Klimaverträglichkeit der Handelswege und -waren spielt dabei keine Rolle, Klimaschutz wird grundsätzlich als potentielles Handelshemmnis angesehen. Damit stehen die Freihandelsabkommen in einem grundsätzlichen Spannungsverhältnis zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens. Denn um diese zu erreichen, müssten stattdessen Transportwege verkürzt und regionale Wirtschaftskreisläufe ausgebaut werden. Der Handel mit Produkten und Rohstoffen, die eine klimaschädliche Wirkung haben, müsste erschwert statt erleichtert werden.

 

 

Handelsabkommen hemmen die Agrar- und Verkehrswende

Etwa ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen wird von der Landwirtschaft verursacht, etwa ein Siebtel vom Verkehr. [1] Um die Klima-Krise einzudämmen, müssten beide Sektoren grundlegend umgebaut werden. Für den Agrarsektor heißt das beispielsweise, die industrielle Tierhaltung zu reduzieren sowie Waldrodungen für die Ausweitung von Soja-Anbauflächen zu stoppen. Forderungen für die Verkehrswende beinhalten die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs sowie den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor.

Aktuelle Handelsabkommen haben jedoch den gegenteiligen Effekt, beispielsweise das EU-Mercosur-Abkommen: Im Gegenzug für Zollsenkungen auf europäische Autos und Autoteile sieht es eine Steigerung der Exporte von südamerikanischem Rind- und Geflügelfleisch, Zucker sowie auf Zuckerrohr und Soja basierenden Agrartreibstoffen vor. Für den Import von Soja, auf das die europäische Massentierhaltung angewiesen ist, werden Standards abgesenkt. Dabei sind Soja-Erzeugung und Rinderhaltung zwei der größten Treiber der Entwaldung im Amazonas- und angrenzenden Savannengebiete. Das EU-Mercosur-Abkommen wird den Export klimaschädlicher Autos nach Lateinamerika steigern und die Abholzung von Wäldern zugunsten von Rinderhaltung und Sojaproduktion noch verstärken.

Auch andere Abkommen wie CETA (EU-Kanada) oder JEFTA (EU-Japan) weiten durch Maßnahmen wie Zollabbau den internationalen Handel mit Agrargütern aus und verschärfen den Preiskampf auf den Weltmärkten. Die Folge: Wer am günstigsten produzieren kann, gewinnt. Vorgaben zur nachhaltigen Produktion von Agrargütern werden hierbei lediglich als störende Handelshemmnisse wahrgenommen, die möglichst minimiert werden müssen.

 

Klimaschutz als unverbindliche Randnotiz

Aktuelle Handelsabkommen wie CETA, JEFTA und EU-Mercosur erwähnen mittlerweile den Klimaschutz, diesbezügliche Verbesserungen bringen sie jedoch nicht. Zum Beispiel beim geplanten EU-Mercosur-Abkommen: Darin verpflichten sich die Vertragsparteien, das Pariser Klimaschutzübereinkommen wirksam umzusetzen und bei den Klimaaspekten des beiderseitigen Handels zusammenzuarbeiten. Doch Papier ist geduldig. Wenn sich ein Land nicht an die Klimaschutzvereinbarungen hält, droht höchstens die Einsetzung einer Expert*innenkommission – die wiederum lediglich unverbindliche Empfehlungen aussprechen kann. Ähnlich verhält es sich beim EU-Kanada-Abkommen CETA: Dem Abkommen wurde nachträglich eine Empfehlung zum Klimaschutz beiseitegestellt, in der sich beide Vertragsparteien für eine enge Zusammenarbeit beim Klimaschutz und der Umsetzung des Pariser Abkommens aussprechen. Doch auch diese Empfehlung hat keinerlei Durchsetzungsmechanismus. Sie wiederholt im Wesentlichen die Verpflichtungen, die die EU und Kanada ohnehin schon eingegangen sind, ohne konkrete Vorhaben und Maßnahmen zu ergänzen oder unter Androhung von Sanktionen vorzuschreiben. Dabei macht Kanada beim Klimaschutz eine schlechte Figur: Das Land ist einer der größten Treibhausgasproduzenten weltweit und landete beim Klimaschutz-Index 2019, der die Klimaschutzleistungen der Staaten mit dem höchsten CO2-Ausstoß bewertet, lediglich auf Platz 54 von 60.[2]

 

Investitionsschutz auch für klimaschädliche Investitionen

Ganz im Gegensatz zum Klimaschutz, der nicht eingeklagt werden kann, sind die in vielen Handels- und Investitionsschutzabkommen enthaltenen Investorenrechte durchaus einklagbar. Auch Investitionen in fossile Energieträger sind ohne Wenn und Aber geschützt. Konkret heißt das: Wenn ein ausländischer Investor seine Gewinne bedroht sieht, weil ein Staat beispielsweise neue Klimaschutzregulierungen einführt, kann er vor internationalen Schiedsgerichten „Entschädigungszahlungen“ in horrender Höhe verlangen. Bereits heute betreffen 330 der insgesamt 942 bekannten Investitionsschutz-Klagen den Energie- und Rohstoffsektor. Erst kürzlich wurde bekannt, dass der deutsche Energiekonzern Uniper – eine E.ON-Abspaltung, die das zweitgrößte Kohlekraftwerk in den Niederlanden betreibt – eine Klage gegen die Niederlande vorbereitet: Sobald der niederländische Senat das geplante Gesetz zum Kohleausstieg verabschiedet, wird Uniper Entschädigungszahlungen vor einem internationalen Schiedsgericht verlangen. Rechtliche Basis dafür ist der Vertrag über die Energiecharta, ein Investitionsschutzabkommen, das speziell Investitionen im Energiebereich schützt. Ähnliche Klagen gegen die Einschränkung fossiler Energieträger drohen jedoch auch auf Basis von CETA oder dem EU-Singapur-Investitionsschutzabkommen, sobald diese vollständig ratifiziert wurden.

 

Liberalisierungsverpflichtungen und Neutralitätsvorgaben behindern Klimapolitik

Aktuelle Handelsabkommen der EU enthalten umfassende Liberalisierungsverpflichtungen: In der Regel müssen alle Dienstleistungen, die nicht explizit als Ausnahme genannt werden, für den Markt geöffnet und alle Investoren gleichberechtigt behandelt werden. Dies stellt eine weitere Einschränkung für Klimapolitik dar. Denn eine mögliche Maßnahme, um die Energiewende voranzutreiben, sind klimarelevante Vorgaben bei der öffentlichen Auftragsvergabe: Unternehmen, die sich auf einen öffentlichen Auftrag bewerben, müssten dann bestimmte Kriterien erfüllen wie beispielsweise einen bestimmten Anteil an erneuerbaren Energien. Unter CETA, JEFTA & Co. können derartige Vorgaben jedoch als unerlaubte Einschränkung des Handels gewertet werden. Auch die Re-Kommunalisierung von Dienstleistungen, beispielsweise weil eine regionale Energieversorgung durch einen kommunalen Träger klimafreundlicher wäre als die Energieerzeugung durch einen großen Konzern, sind mit diesen Abkommen häufig unzulässig.

Zudem gehen Handelsabkommen von einer Gleichheit aller Energieträger aus, Handelsmaßnahmen müssen also neutral sein und dürfen zum Beispiel erneuerbare Energien nicht begünstigen.

 

Für einen klimafreundlichen und global gerechten Welthandel!

Um die Klima-Krise zu beenden, muss auch die Handelspolitik umfassend umgestaltet werden. Konkret heißt das: Abschaffung von Sonderklagerechten für Konzerne sowie Kündigung von Freihandelsabkommen, die Konzernprofite über Klimaschutz stellen. Für ein klimafreundliches Handelsregime sind außerdem weitere Maßnahmen dringend notwendig, Vorschläge hierfür umfassen beispielsweise die Einführung von Zöllen und Grenzausgleichsabgaben auf klimaschädliche Güter und Dienstleistungen oder die Einschränkung des Handels mit fossilen Brennstoffen. Die US-amerikanische Naturschutzorganisation Sierra Club hat bereits 2016 zahlreiche weitere Vorschläge in die Diskussion eingebracht (s. Kasten), auch im Positionspapier des Netzwerks Gerechter Welthandel sind Forderungen nach einer nachhaltigen Klima-, Energie- und Ressourcenpolitik enthalten.

Vorschläge liegen demnach schon lange auf dem Tisch – nun ist die Politik am Zug, sie endlich umzusetzen!

Lasst uns daher am kommenden Freitag 20. September #AlleFürsKlima auf die Straßen gehen!

 

Fußnoten:

[1] IPCC-Bericht 2014, Summary for Policymakers, https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/02/ipcc_wg3_ar5_summary-for-policymakers.pdf sowie IPP-Bericht 2018, Summary for Policymakers, https://report.ipcc.ch/sr15/pdf/sr15_spm_final.pdf

[2] Klimaschutz-Index 2019, https://germanwatch.org/de/ksi

 

 

 

Vorschläge des Sierra Club für ein Handelsregime, das den Klimaschutz ernst nimmt

 

Ein klimafreundliches Handels- und Investitionsregime

  1. unterstützt die Klimapolitik und schließt Handelsmaßnahmen, die das Klima beeinträchtigen, aus.
  2. schützt Investitionen, die die Treibhausgasemissionen reduzieren und die Anpassung an den Klimawandel unterstützen, ausgenommen solche, die mit einem vollständigen Übergang zu erneuerbaren Energien nicht vereinbar sind.
  3. ermöglicht, dass lokale und regionale Wertschöpfungsanteile, Arbeitsplätze und Entscheidungsstrukturen bei der Nutzung erneuerbarer Energien geschaffen und erhalten werden können.
  4. erlaubt die Anwendung von Klimalabeln.
  5. unterstützt die Beschränkung klimaschädlicher Praktiken und Maßnahmen.
  6. verpflichtet die Parteien Maßnahmen zu verabschieden, beizubehalten und umzusetzen, um ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen zu erfüllen.
  7. verbietet klimaschädliche Subventionen und schützt Subventionen für erneuerbare Energien und emissionsarme Güter und Dienstleistungen.
  8. ermöglicht, dass das Öffentliche Beschaffungswesen klimafreundliche Güter und Dienstleistungen bevorzugen kann.
  9. lässt ausdrücklich Zwangslizenzen (mit denen Unternehmen billigere Versionen patentierter Produkte herstellen können) und andere politische Instrumente zu, die der Verbreitung umweltfreundlicher Technologien dienen.
  10. legt eine Rangfolge von Maßnahmen zur Minimierung der Auswirkungen des Klimawandels fest.
  11. setzt ein unabhängiges, verbindliches und durchsetzungsfähiges System der Streitbeilegung ein, schließt jedoch Investoren-zu-Staat-Streitfälle aus.
  12. erlaubt und erhöht Zölle auf klimaschädliche Güter und Dienstleistungen.
  13. schränkt den Handel mit fossilen Brennstoffen ein.
  14. setzt Grenzen für die Emissionen des Transports von Gütern per Schiff, auf der Straße und als Luftfracht.
  15. schafft Anreize zur Minderung von Emissionen durch Grenzausgleichabgaben auf klimaschädliche Produkte. _

 

Quelle: Sierra Club (2016): Discussion Paper: A New, Climate-friendly Approach to Trade, übersetzt und ergänzt durch Jürgen Knirsch (Greenpeace)

 

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