Mit dem heutigen Tag macht das Netzwerk gerechter Welthandel den von der Bundesregierung und der EU Kommission nicht veröffentlichten Text zur Interpretation des Investitionsschutzkapitels von CETA für alle zugänglich. Zuvor hatte bereits IA Reporter den Text veröffentlicht.

In ihrer Handelsagenda hatte die Ampel-Koalition Ende Juni angekündigt, das EU-Kanada-Abkommen endgültig zu ratifizieren. Zuvor wollte man sich jedoch dafür einsetzen, dass der Investitionsschutz, wie im Koalitionsvertrag festgehalten, auf “direkte Enteignung und Diskriminierung” beschränkt wird, um “die missbräuchliche Anwendung” (Handelsagenda, 23.06.2022) zu verhindern. Dies sollte über eine „Interpretationserklärung“ des Joint Committees erreicht werden.  Man dachte,  dadurch den politischen Missbrauch (!) des Investitionsschutzes begrenzen zu können und zu verhindern, dass Konzerne gegen Klimaschutzmaßnahmen klagen können.

Eine detaillierte juristische Bewertung folgt. Deutlich ist aber bereits jetzt: Die Interpretationserklärung hält nicht, was die Regierung versprochen hat. Mit CETA wird weiterhin eine Paralleljustiz geschaffen, die international agierenden Konzernen das exklusive Recht gibt, Staaten zu verklagen. Verpflichtungen für Konzerne oder Rechte für Bürger*innen und Verbände sind im CETA-Vertragstext nicht enthalten. In Zeiten sozialer und ökologischer Krisen und Katastrophen ist dieses Vorhaben unverantwortlich. 

Die vorliegende Interpretationserklärung stellt sogar selbst eine Revision von CETA nach (!) Inkrafttreten in Aussicht, weil Investitionsschutz und Nachhaltigkeitsklauseln nicht mehr den Standards genügen. Hintergrund ist die Vereinbarung von EU-Kommission und Bundesregierung, Nachhaltigkeitsvorgaben in neuen Handelsabkommen mit einem Sanktionsmechanismus zu versehen – im CETA Vertragstext fehlt dieser jedoch völlig. Mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Revision gesteht die Ampelregierung ein, dass sie sich der brandgefährlichen Defizite des aktuellen CETA-Vertragstextes bewusst ist. Warum drängt die Ampelregierung dennoch auf die Ratifizierung? Von Schiedsgerichten profitieren nur Investor*innen, die ihre hoch rentablen umwelt-, klima- und sozial schädlichen Geschäftsmodelle ausweiten und dafür sogar noch staatliche Garantien erhalten wollen.

Fazit: Auch mit der vorliegenden Interpretationserklärung darf CETA nicht ratifiziert werden! Die geplanten Schiedsgerichte schützen nur Profite, sie schaden Menschen und dem Planeten. Auch mit der Interpretationserklärung ist der politische Missbrauch der Schiedsgerichte nicht verhindert. Es braucht Neuverhandlungen im Sinne eines gerechten Welthandels, der es den Gesellschaften in Kanada und der EU ermöglicht, in Respekt vor unser aller Lebensgrundlagen und den Grenzen des Planeten zu wirtschaften. Wenn nicht mit Kanada, mit wem wollen wir diesen Neuanfang wagen?

Interpretationserklärung: 20220905_Draft-Decision-and-Declarations_CETA