Liebe Leserinnen und Leser,

liebe Interessierte an einer neuen Handelspolitik,

 

während die handelspolitischen Diskussionen zunehmend darum kreisen, ob TTIP wieder aus dem Eisschrank geholt wird, hat die EU-Kommission im April gleich drei andere Handelsabkommen in die Schlagzeilen gebracht: Die Abkommen mit Japan (JEFTA) und Singapur wurden rechtlich geprüft und übersetzt, und werden nun dem EU-Ministerrat sowie dem EU-Parlament zur Abstimmung vorgelegt. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen beide Abkommen noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019 in Kraft treten. Bei diesem straffen Zeitplan bleibt keine Zeit für eine genaue Prüfung der fertigen Texte – dabei wäre eine informierte und breite Debatte über Risiken und Nebenwirkungen dieser Abkommen dringend nötig! Dies gilt auch für das EU-Mexiko Abkommen, für das die EU-Kommission Ende April eine „Grundsatzeinigung“ verkündete.

Mehr über diese Abkommen sowie weitere handels- und investitionspolitische Neuigkeiten erfahren Sie in diesem Newsletter.

Und nicht vergessen: Am 15./16. Juni findet unsere Strategie- und Aktionskonferenz in Frankfurt am Main statt. Gemeinsam mit all denjenigen, die mit der gegenwärtigen handelspolitischen Ausrichtung ebenso unzufrieden sind wie wir, wollen wir dort über den Stand unserer Bewegung und die nächsten Schritte diskutieren. Weitere Informationen auch hierzu am Ende des Newsletters.

 

 

+ + + JEFTA + + +

Japan ist die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt und deckt gemeinsam mit der EU mehr als ein Drittel der gesamten Weltwirtschaft ab. Das geplante Handelsabkommen JEFTA wird Japans sensible Agrarmärkte für europäische Milch- und Fleischexporte öffnen – und damit die Existenz japanischer Landwirte bedrohen. JEFTA enthält auch Vereinbarungen zur Liberalisierung von Dienstleistungen sowie zur regulatorischen Kooperation, die Konzernen weitreichende Einflussmöglichkeiten bei der Gesetzgebung ermöglichen und Regulierungen im öffentlichen Interesse verhindern könnten. Das Nachhaltigkeitskapitel ist äußerst schwach und enthält keine Möglichkeit, Verstöße gegen Nachhaltigkeitsbestimmungen zu sanktionieren.

Die EU-Kommission möchte JEFTA noch vor Ende ihres aktuellen Mandats ratifizieren – das ist nur mit einem straffen Zeitplan möglich: Bereits am 26. Juni soll der EU-Ministerrat JEFTA den Beschluss zur Unterschrift fassen, am 14. Juli soll das Abkommen anlässlich des Besuchs des japanischen Premierministers Shinzō Abe in Paris unterzeichnet werden. Das Europäische Parlament soll bis Ende des Jahres über JEFTA abstimmen. Stimmt es zu, erfolgt der Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens.

Da der Investitionsschutz aus dem Abkommen ausgeklammert wurde und in ein zweites Abkommen ausgelagert werden soll, ist JEFTA kein „gemischtes Abkommen“. Damit ist keine Zustimmung der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten nötig; auch eine politische Debatte ist bisher nicht vorgesehen – wir sagen: das kann nicht sein! Gerade nach den intensiven Debatten über TTIP und CETA in den letzten Jahren dürfen Handelsabkommen nicht mehr in Windeseile durchgepeitscht werden. Der Bundestag muss sich mit dem Abkommen befassen, bevor im EU-Ministerrat zugestimmt wird!

Als Netzwerk Gerechter Welthandel fordern wir, JEFTA nicht zu ratifizieren!

 

 

+ + + EU-Mexiko + + +

Seit 2016 wird das Handels- und Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und Mexiko neu verhandelt, bis Ende dieses Jahres soll das Abkommen unterschriftsreif sein. Die Neuverhandlungen sollen das Abkommen erheblich erweitern und Märkte umfassend öffnen. Dies entspricht den Wünschen großer Konzerne und den Wirtschaftsinteressen der EU, denn Mexiko ist ein wichtiger Markt für europäische Unternehmen – auch als Durchgangsstation auf den US-amerikanischen Markt: Wer in Mexiko produziert, wird nach den Regeln der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA behandelt und kann zollfrei in den Norden exportieren.

Während das EU-Mexiko-Abkommen auch Sonderklagerechte für Investoren beinhaltet, kommen Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung völlig unter die Räder. Zwar enthält bereits das bestehende Abkommen eine Menschenrechtsklausel – trotz der katastrophalen Menschenrechtslage wurde sie jedoch niemals aktiviert! Sie ist unwirksam, denn handelspolitische Verpflichtungen aus dem Vertrag haben Vorrang vor menschenrechtlichen Verpflichtungen. Daran wird sich auch nach den Neuverhandlungen nichts ändern.

 

 

+ + + EU-Mercosur + + +

Die letzte Verhandlungsrunde der EU mit den Mercosur-Staaten endete am 27. April früher als geplant. Medien-Berichten stuften sie als „nützlich“ ein, einige Schlüsselfragen bleiben weiterhin offen. Wie berichtet will die EU vor allem mehr Autos und Autoteile exportieren; im Gegenzug sollen die Mercosur-Staaten unter anderem mehr Rindfleisch auf die EU-Märkte bringen dürfen – zuletzt hatte die EU angeboten, zusätzliche Rindfleischeinfuhren von 99.000 Tonnen jährlich zu akzeptieren. Anscheinend verließen Argentinien und Uruguay vorzeitig den Verhandlungstisch, sie kritisierten einen Mangel an Entschlossenheit seitens Brasiliens und der EU, bei der Frage der Einfuhren von Autos und Autoteilen eine Einigung zu erzielen. Von Seiten der EU-Kommission gab es bisher keine Informationen über das Ergebnis der letzten Runde. Die Unterhändler legten kein neues Datum für eine nächste Verhandlungsrunde fest.

 

 

+ + + Kommt TTIP zurück? + + +

US-Präsident Trump hat Strafzölle auf den Import von Aluminium und Stahl verhängt und die EU vorläufig davon ausgenommen – die aktuelle Frist läuft am 1. Juni aus. Um den Strafzöllen zu entgehen, werden derzeit vermehrt Forderungen nach einer Wiederaufnahme der TTIP- (oder „TTIP light“-)Verhandlungen laut. Doch die EU sollte sich nicht erpressen lassen und für die Aufrechterhaltung des Status Quo beim Marktzugang in den USA einseitige Konzessionen machen. Statt sich auf Strafzölle, Gegenmaßnahmen und neue Freihandelsabkommen zu fokussieren, sollte die EU die aktuelle Debatte vielmehr zum Anlass nehmen, endlich eine grundlegende Umgestaltung des Welthandelssystems zu starten – so der Tenor des Meinungsbeitrages von Anna Cavazzini (Brot für die Welt) und Jürgen Maier (Forum Umwelt und Entwicklung) in der taz.

 

 

+ + + Das Ende der Konzernklagerechte? + + +

Anfang März urteilte der Europäische Gerichtshof, dass Investitionsschiedsgerichte (ISDS) zwischen EU-Mitgliedstaaten gegen EU-Recht verstoßen. Damit stehen auch viele weitere solcher Abkommen in Frage, unter anderem die Energiecharta sowie das Investitionsschutz- und Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA). Unter anderem der ehemalige Verfassungsrichter Siegfried Broß hält es für „durchaus denkbar“, dass CETA nach dem Urteil nicht mehr vollständig in Kraft treten werde. Dass und warum Schiedsgerichte ein „hochgefährliches Instrument“ sind, hat Peter Fuchs (PowerShift) in einem aktuellen Interview erläutert.

 

 

+ + + Termine + + +

Deutsch-Amerikanische Handelsbeziehungen in der Ära Trump – Welche Deals werden gemacht?

28. Mai, 18 Uhr, Langenbeck-Virchow-Haus Berlin-Mitte

19. Zivilgesellschaftliches Außenwirtschaftsforum in Berlin, veranstaltet vom Forum Umwelt und Entwicklung und den Naturfreunden Deutschland

http://www.forumue.de/19-zivilgesellschaftliches-aussenwirtschaftsforum-deutsch-amerikanische-handelsbeziehungen-in-der-aera-trump-welche-deals-werden-gemacht/

 

Welches Wachstum ernährt die Welt? Vorträge und Workshop

30. Mai 2018, 10-17 Uhr, Leuphana Universität Lüneburg

Die Agrarkoordination lädt ein zu Vorträgen, unter anderem zum Thema „Welches Wachstum fördern Handelsabkommen?“ (Kerstin Lanje, Misereor, Mireille Remesch, Agrar Koordination). Im Abschluss Podiumsgespräch mit den ReferentInnen und Arbeitsgruppen zu den Themen: Bio und Welternährung, Handelsabkommen, Konzernmacht.

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Initiative Essbarer Campus der Leuphana Universität Lüneburg statt.

Programm und Anmeldung unter https://www.agrarkoordination.de/

 

Strategie- und Aktionskonferenz des Netzwerks Gerechter Welthandel

15./16. Juni 2018, Frankfurt am Main

Wie geht es weiter mit der Bewegung gegen TTIP, CETA & Co. und für eine demokratische und gerechte Handelspolitik? Wie erreichen wir die dringend benötigte Kehrtwende in der deutschen und europäischen Handelspolitik und wie lässt sich der breite Protest der vergangenen Jahre in tatsächliche politische Veränderungen ummünzen? Mit Workshops und Podiumsdiskussionen wollen wir uns zum aktuellen Stand der Handelspolitik austauschen und unsere nächsten Schritte diskutieren. Die Konferenz richtet sich an alle freihandelskritisch Aktiven in lokalen und regionalen Bündnissen und Initiativen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum.

Jetzt anmelden unter: www.gerechter-welthandel.org/aktionskonferenz

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Der nächste Newsletter erscheint in ca. 4-6 Wochen.