Am 21. September 2017 ist CETA, das Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU mit Kanada, zu großen Teilen vorläufig in Kraft getreten. Damit wurden unter anderem die vereinbarten Zollsenkungen wirksam sowie zahlreiche Regulierungsausschüsse ins Leben gerufen. Noch nicht in Kraft getreten ist hingegen der Investitionsschutz – dieser wird erst mit der vollständigen Ratifizierung wirksam, die die Zustimmung aller nationalen Parlament der EU-Mitgliedstaaten voraussetzt.
Mit Blick auf erste statistische Auswertungen, die einen leichten Anstieg der Exporte nach Kanada unter anderem bei Maschinen, Arzneimitteln, Obst und Schokolade nahelegen, hat die EU-Kommission bereits „erste positive Ergebnisse“ des Abkommens verkündet. Umgekehrt berichten auch kanadische Medien von geringfügig angestiegenen Exporten in die EU, insbesondere bei Aluminium, Autos, mineralischen Treibstoffen, Öl, Cranberries und Ahornsirup. Nach Deutschland sollen demnach mehr Flugzeuge und Flugzeugteile exportiert worden sein.
Dass einzelne Industrie-Branchen von CETA profitieren, überrascht nicht. Schließlich wurden die Verhandlungen unter engen Konsultationen mit Industrievertreter*innen geführt. Wie eine aktuelle Analyse ALTER-EU und LobbyControl zeigt, wurden im Kapitel zur regulatorischen Kooperation deren Textvorschläge teilweise sogar nahezu exakt übernommen.
Lobby-Einfluss geht weiter
Und der Lobby-Einfluss geht auch nach dem vorläufigen Inkrafttreten des Abkommens weiter. Mittlerweile hat sich in Brüssel ein eigener Lobbyverband gegründet, der die kanadische Industrie in der EU vertreten will und für eine industrie-freundliche Umsetzung von CETA eintritt. Gegründet und geleitet wird die Canada EU Trade Investment Association (CEUTIA) von David Plunkett, einem ehemaligen kanadischen Botschafter bei der EU und Teil des CETA-Verhandlungsteams. „Je früher wir geplante Regulierungsentwürfe der EU zu Gesicht bekommen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir den Entscheidungsprozess so gestalten können, dass das Ergebnis zumindest weniger inakzeptabel sein wird“, wird er in einem Medienbericht zitiert.
Welche konkreten Forderungen die Industrie stellt, geht zum Beispiel aus Dokumenten hervor, die Unternehmen und Lobbyverbände an die CETA-Regulierungsausschüsse einreichen. Freshfel Europe, der Lobbyverband für die Obst- und Gemüseindustrie, fordert beispielsweise einen „verbesserten Dialog über Pestizid-Rückstände“ – und meint damit die Verwässerung der kanadischen Vorgaben für Pestizidrückstände in Obst und Gemüse. Kanada habe bei einigen Inhaltsstoffen strengere Vorgaben als die EU, was beispielweise den Export von spanischen Zitrusfrüchten oder belgischen Pfirsichen erschwere, schreibt der Verband in seiner Einreichung.
Weiterhin keine Transparenz bei den Schiedsgerichten
CETA enthält Bestimmungen zu sogenannten Investor-Staats-Schiedsgerichten. Das heißt: Wenn das Abkommen vollständig in Kraft tritt, werden ausländische Investoren das Recht haben, Regierungen auf Entschädigung zu verklagen, wenn deren Gesetze oder Regulierungen ihre Investitionen schmälern würden. Eine solche Klage wurde beispielsweise von Vattenfall gegen die Bundesregierung Deutschland eingereicht, nachdem 2011 der Atomausstieg beschlossen wurde. Über vier Milliarden Euro Entschädigung verlangt der schwedische Konzern hierfür. Ob die in CETA enthaltenen Schiedsgerichte überhaupt mit dem EU-Recht vereinbar sind, ist jedoch nicht klar – eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs dazu steht noch aus. Auch die EU-Kommission hat ein rechtliches Gutachten zu dieser Frage in Auftrag gegeben – hält es jedoch unter Verschluss. Aufgrund der Relevanz des Themas und des großen öffentlichen Interesses hat die Umweltrechtsorganisation Client Earth in dieser Woche Klage gegen die EU-Kommission eingereicht, um die Offenlegung dieses Gutachtens zu erreichen. Diese Geheimhaltungspolitik der EU-Kommission zeigt, dass aus den jahrelangen Auseinandersetzungen um TTIP und CETA wenig gelernt wurde. Zwar hat sich die Transparenz an einigen Stellen gebessert, doch für die öffentliche Information und Auseinandersetzung wichtige Dokumente werden weiterhin geheim gehalten.
Null Gewinn für den Umwelt- und Klimaschutz
Und die Nachhaltigkeit? Das CETA-Kapitel zu Handel und Nachhaltiger Entwicklung enthält viele schöne Worte, aber keine durchsetzungsfähigen Verpflichtungen. Da ausgerechnet dieses Kapitel vom Streitschlichtungsverfahren der Vertragsparteien ausgenommen ist, können Verstöße nicht wirksam sanktioniert werden.
Ebenso verhält es sich mit der Empfehlung zum Klimaschutz, das der Gemischte Ausschuss – einer von zahlreichen Regulierungsausschüssen, die mit CETA gegründet wurden – bei seiner ersten Sitzung diese Woche veröffentlicht hat. In einer gemeinsamen Presseerklärung sprachen sich EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und der zuständige kanadische Minister nach der Sitzung „für einen verstärkten Einsatz zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und zum Klimaschutz“ aus. Beide Seiten hätten eine engere Zusammenarbeit beschlossen, „um die Ziele des Pariser Abkommens und niedrigere Treibhausgasemissionen zu erreichen“.
Leider handelt es sich auch bei dieser Empfehlung wieder um eine Erklärung mit wachsweicher Formulierung und ohne Durchsetzungsmechanismus. Sie wiederholt im Wesentlichen die Verpflichtungen, die die EU und Kanada bereits im Pariser Klimaabkommen eingegangen sind, das im November 2016 – wenige Tage nach der Unterzeichnung von CETA – in Kraft trat. Darüber hinausgehende konkrete Vorhaben und Maßnahmen zum Klimaschutz sind nicht enthalten.
Für eine transparente, global gerechte Handelspolitik und gegen Sonderklagerechte für Konzerne
Auch ein Jahr nach der teilweisen vorläufigen Anwendung von CETA zeigt sich, dass das Abkommen in erster Linie den Exportinteressen großer Konzerne dient. Für Umwelt-, Verbraucher- und Klimaschutz ist von CETA wenig zu erwarten. Dagegen protestieren heute Aktive aus lokalen Gruppen, Verbänden und Gewerkschaften in 40 Städten bundesweit, morgen in Berlin und am nächsten Wochenende nochmal in Konstanz und München. Wir wollen keine weiteren Handelsabkommen im Interesse der Konzerne, wir wollen eine global gerechte, solidarische Handelspolitik. Macht auch mit bei unserem Aktionstag gegen CETA!