Am 5. November hat der Handelsausschuss des EU-Parlaments über das Handelsabkommen der EU mit Japan abgestimmt und mehrheitlich für eine Zustimmung votiert: 25 Abgeordnete stimmten mit „Ja“, 10 Abgeordnete mit „Nein“. Unter den deutschen Abgeordneten gab es Zustimmung von Bernd Lange (SPD), Nadja Hirsch (FDP) sowie Godelieve Quisthoudt-Rowohl (CDU). Helmut Scholz (Die Linke) und Joachim Schuster (SPD) stimmten dagegen.
Voraussichtlich im Dezember werden alle Europaabgeordneten über JEFTA abstimmen. Sollte es auch dort eine Mehrheit für das Abkommen geben, wird es ratifiziert – ohne dass die Parlamente der Mitgliedstaaten mit einbezogen werden. Doch JEFTA birgt viele Gefahren für den Klimaschutz, für Umwelt- und Arbeitsstandards, für die bäuerliche Landwirtschaft sowie für die öffentliche Daseinsvorsorge und dient dem weiteren Ausbau und Schutz der Rechte von Konzernen. Die Abstimmung im EU-Parlament ist die letzte Chance, das Abkommen noch zu stoppen!
Daher haben wir heute einen Offenen Brief an die deutschen Abgeordneten im EU-Parlament geschickt und sie dazu aufgefordert, JEFTA so nicht zu ratifizieren. Zusätzlich haben wir eine Email-Aktion gestartet, mit der auch Sie Ihre/n Europaabgeordnete/n kontaktieren können. Beteiligen Sie sich an der Aktion „JEFTA im Europaparlament stoppen!“ und fordern Sie Ihre/n Europaabgeordneten dazu auf, JEFTA in dieser Form abzulehnen!
Offener Brief an die deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlamentes
Sehr geehrte Damen und Herren,
anlässlich der bevorstehenden Ratifizierung der EU-Wirtschaftspartnerschaft mit Japan drücken wir unsere größte Besorgnis über den Inhalt des Abkommens aus. JEFTA ist das bislang größte Handelsabkommen, das die EU abschließend verhandelt hat. Die beiden Wirtschaftsräume umfassen mehr als 600 Millionen Menschen und rund ein Drittel des globalen Bruttoinlandsproduktes. JEFTA gehört zur so genannten neuen Generation von Abkommen, die weit mehr als Zölle und Quoten regeln. JEFTA enthält Regeln, die den politischen Handlungsspielraum der EU und der EU-Mitgliedsstaaten massiv einschränken, und sie sind unter demokratischen Gesichtspunkten höchst problematisch.
Gemeinsam mit zahlreichen zivilgesellschaftlichen Akteuren fordert das Netzwerk Gerechter Welthandel eine global gerechte und solidarische Handels- und Investitionspolitik, die Mensch und Umwelt in den Mittelpunkt stellt und nicht den Profit einiger weniger. Derartige Rahmenbedingungen sind jedoch bei JEFTA nicht gegeben.
Dies sind unsere grundlegenden Bedenken:
Offenbar haben die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten nichts aus der Vergangenheit gelernt. Trotz der allseits kritisierten Intransparenz bei den Verhandlungen zu den Handels- und Investitionsschutzabkommen mit den USA (TTIP) und mit Kanada (CETA), führte die EU-Kommission die Verhandlungen auch mit Japan unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Besonders besorgniserregend aus unserer Sicht ist der Umstand, dass im Rahmen der regulatorischen Kooperation politische Entscheidungen in undurchsichtige Expertengremien verlagert werden, an denen oftmals Wirtschaftslobbyist*innen mit am Tisch sitzen. Diese könnten Gesetzesentwürfe zur Kommentierung vorgelegt bekommen, bevor ein gewähltes Parlament diese Entwürfe überhaupt zu Gesicht bekommt. Standards und Normen, beispielsweise zum Umwelt-, Arbeitnehmer*innen- oder Gesundheitsschutz, könnten geändert beziehungsweise zukünftig beeinflusst werden, wenn sie als unzulässige Handelsbeschränkungen angesehen werden, ohne dass die Öffentlichkeit eingebunden wird. Das schränkt die Spielräume demokratischer Politik ein und stärkt das Primat der Wirtschaft vor jenem der Politik.
Auch das Vorsorgeprinzip nach EU-Recht ist im Abkommen nur unzureichend verankert. Das Vorsorgeprinzip erlaubt ein Verbot von Produkten, wenn ein Verdacht für Gesundheits- oder Umweltrisiken vorliegt. Wie schon CETA übergeht JEFTA das Vorsorgeprinzip in seinen Kapiteln zu technischen Handelshemmnissen und zu gesundheitlichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen. Genau dort müsste es jedoch verankert sein, denn diese Kapitel behandeln die Gesundheit von Mensch und Tier und sind daher für den Verbraucher*innenschutz besonders wichtig.
Japan hat bislang lediglich sechs der insgesamt acht ILO-Mindestarbeitsstandards ratifiziert. Diese Standards bieten einen unerlässlichen Mindestschutz vor dem wettbewerbsbedingten Abbau von Sozial- und Arbeitsstandards.
Das Kapitel zu Handel und nachhaltiger Entwicklung ist zudem noch schwächer als das im CETA-Abkommen mit Kanada. Klima- und Umweltschutzmaßnahmen sind beispielsweise nur zulässig, wenn dadurch der Handel nicht eingeschränkt oder der Vertragspartner nicht diskriminiert würde. Wie in allen EU-Handelsabkommen fehlen auch im JEFTA- Nachhaltigkeitskapitel eine Vorrangstellung, ein Durchsetzungsmechanismus sowie Sanktionsmöglichkeiten im Falle von Verstößen, beispielsweise gegen internationale Arbeitsstandards oder gegen Bestimmungen zum Umwelt- und Klimaschutz.
Japan ist einer der weltweit größten Holzimporteure und japanische Unternehmen sind die Hauptabnehmer von illegal geschlagenem Holz, das unter anderem aus Urwäldern in Europa stammt. JEFTA könnte das illegale Abholzen in Brasilien, Malaysia, China und Indonesien verschlimmern. Dennoch enthält das Abkommen keine soliden, umfassenden oder durchsetzbaren Verpflichtungen, die den Handel mit illegalem Holz effektiv verbieten oder eine nachhaltige Waldbewirtschaftung fördern.
JEFTA enthält eine Negativliste für die Liberalisierung von Dienstleistungen. Alle Wirtschaftsbereiche, die nicht explizit ausgenommen sind, unterliegen damit der Verpflichtung zur Marktöffnung für private Unternehmen – bei bisher öffentlichen Dienstleistungen geht es um Privatisierung. Liberalisiert werden können auch alle Dienstleistungen, die es heute vielleicht noch gar nicht gibt und die deshalb nicht gelistet werden können, beispielsweise neue Ansätze im Bereich E-Commerce. Die hohe Rechtsunsicherheit für die öffentliche Daseinsvorsorge wird dadurch verstärkt, dass mit JEFTA geschaffene Gremien, vor allem der Gemischte Ausschuss, später diese Rechtsunsicherheiten in ihrem eigenen Sinne auslegen können. Auch die öffentliche Wasserwirtschaft und hier vor allem das Abwasser ist durch JEFTA nicht ausreichend abgesichert.
Bereits 2015 hat die EU-Kommission angekündigt, Antikorruptionsklauseln in zukünftige Handelsabkommen aufzunehmen. Dennoch sind derartige Klauseln in JEFTA (und CETA) nicht enthalten. Dass die EU-Kommission darauf verzichtet, deutet nicht auf eine effektive Korruptionsbekämpfung hin. Dabei haben Anfang August über 600 zivilgesellschaftliche Organisationen aus 45 Staaten die Regierungen der G20 an ihre diesbezüglichen Verpflichtungen erinnert und sofortige Aktivitäten eingefordert. Sowohl Kanada als auch Japan haben 2016 im Transpazifischen Abkommen (CP)TPP umfassende Antikorruptionsklauseln unterzeichnet.
Außerdem verhandeln die EU und Japan parallel zum Handelsabkommen noch ein Investitionsabkommen, in dem einseitige Sonderklagerechte für ausländische Investoren verankert werden sollen.
Das bislang größte Handelsabkommen der EU erfordert eine viel umfassendere und vor allem eine öffentliche Diskussion, die leider bis heute nicht stattgefunden hat. Deshalb fordern wir Sie dazu auf, JEFTA sorgfältig zu prüfen und nicht zu ratifizieren, solange diese Probleme nicht behoben sind.
Für ein persönliches Gespräch stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
der Koordinierungskreis des Netzwerks Gerechter Welthandel
Der Koordinierungskreis des Netzwerks Gerechter Welthandel besteht aus den folgenden Organisationen: Attac Deutschland, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Campact, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Deutscher Kulturrat, Forum Umwelt und Entwicklung, Greenpeace Deutschland, Mehr Demokratie, Naturfreunde Deutschland, PowerShift, Netzwerk Solidarische Landwirtschaft