Liebe Leserinnen und Leser,

liebe Interessierte an einer neuen Handelspolitik,

 

im letzten Newsletter haben wir vom Start der europaweiten Kampagne „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!“ berichtet. Mittlerweile unterstützt über eine halbe Million Menschen unsere Petition und setzt sich damit gegen Sonderklagerechte für Konzerne und für verbindliche globale Regeln für Konzerne ein.

Diese Woche diskutieren die Vertreter*innen zahlreicher Regierungen in New York über die Zukunft des Investitionsschutzes. Statt der breiten Kritik zu folgen und die ungerechten Konzernklagerechte ein für alle Mal abzuschaffen, versuchen sie diese jedoch auszuweiten: Gestützt auf ein Verhandlungsmandat der Mitgliedsstaaten setzt sich die EU für die Einrichtung eines so genannten multilateralen Investitionsgerichtshofs (MIC) ein. Dieser soll einseitig für Konzerne und Investoren zugänglich sein und Schadensersatzforderungen gegen Staaten ermöglichen, wenn deren Maßnahmen gegen das Interesse von Konzernen verstoßen. Dabei bedrohen Konzernklagerechte schon heute Umwelt- und Verbraucherschutzstandards sowie öffentliche Dienstleistungen. Inwiefern auch die Wasserversorgung bedroht ist, haben wir anlässlich des Weltwassertages am 22. März in einem Blogbeitrag zusammengefasst.

Allein in Deutschland haben fast 200.000 Personen unsere Petition unterzeichnet. Wer noch nicht dabei ist, kann die Kampagne jetzt unterstützen unter https://gerechter-welthandel.org/menschenrechte-schuetzen-konzernklagen-stoppen.

Für alle, die über eine Unterschrift hinaus in der Kampagne aktiv werden möchten, führen wir am 26./27. April ein Multiplikator*innentraining in Göttingen durch, zu dem wir Sie und Euch herzlich einladen. Mehr Infos auf unserer Webseite.

 

Informationen zu weiteren aktuellen handels- und investitionspolitischen Ereignisse sowie Hinweise auf relevante Publikationen und Termine erhalten Sie in diesem Newsletter.

 

 

+ + + TTIP reloaded + + +

Mitte März stimmte das Europaparlament über seine Position zur Aufnahme neuer Verhandlungen zu einem Handelsabkommen mit den USA ab. Der unter der Federführung von Bernd Lange entworfene gemeinsame Entschließungsantrag wurde zwar abgelehnt. Bei der Abstimmung über einzelne Änderungsanträge votierten die Europaabgeordneten jedoch mehrheitlich dafür, die Verhandlungsmandate der EU-Kommission in der jetzigen Fassung und unter den gegebenen Bedingungen abzulehnen. Auch wenn das Parlament hier nur beratende Funktion hat, sollten sich die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten an diesen Beschlüssen orientieren und im Ministerrat gegen die Aufnahme von Verhandlungen entscheiden! Zumal das Europaparlament am selben Tag noch einmal seine Haltung zum Pariser Klimaschutzabkommen bestätigte und eine Entschließung zum Klimawandel verabschiedete. Diese betont, „dass die Klimaschutzziele in allen Politikbereichen der Union, auch in der Handelspolitik, durchgängig berücksichtigt werden müssen“ und fordert deshalb die EU-Kommission „mit Nachdruck“ dazu auf, „dafür Sorge zu tragen, dass alle von der Union unterzeichneten Handelsabkommen vollständig mit dem Übereinkommen von Paris im Einklang stehen, da dadurch nicht nur die weltweiten Maßnahmen zum Klimaschutz unterstützt, sondern auch für alle betroffenen Wirtschaftszweige gleiche Wettbewerbsbedingungen garantiert würden“.

Neben dem Rückschritt für die internationalen Klimaverpflichtungen gibt es weitere Kritikpunkte an den geplanten Verhandlungen der EU mit den USA: Die permanente Androhung der USA, Strafzölle auf Autoimporte einzuführen, erzeugt großen Druck und bietet keine guten Voraussetzungen für ausgewogene Verhandlungen. Da außerdem das alte TTIP-Mandat nicht offiziell aufgekündigt wurde, gibt es Anlass zur Befürchtung, dass die in den TTIP-Verhandlungen am stärksten umstrittenen Themen erneut auf dem Verhandlungstisch landen – beispielsweise Landwirtschaft. Darüber hinaus enthalten die Mandatsentwürfe keine Verpflichtung zur Ratifizierung und Umsetzung von Arbeitnehmer*innenrechten, obwohl die USA nur zwei der acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert haben. Auch eine ordnungsgemäße Durchführung von Folgeabschätzungen zu Nachhaltigkeitsaspekten, die für Verhandlungen von Handelsverträgen eigentlich üblich sind, ist nicht vorgesehen.

Was an den Verhandlungen sonst noch zu kritisieren ist, und welche Interessensvertreter hinter den Kulissen mit einbezogen werden, erklärt ein Blogbeitrag von LobbyControl.

 

 

+ + + EuGH entscheidet am 30. April über CETA + + +

Bereits im Herbst 2017 forderte Belgien den Europäische Gerichtshof dazu auf, ein Rechtsgutachten zum EU-Kanada-Abkommen CETA zu erstellen: Der EuGH soll prüfen, ob das Investor-Staat-Schiedsgerichtssystem in CETA mit dem EU-Recht vereinbar ist. Am 30. April wird der EuGH seine Entscheidung fällen. Diese ist für die EU verbindlich – sollten die Richter*innen den CETA-Investitionsschutz für unvereinbar mit dem EU-Recht erklären, könnte er in der aktuellen Form nicht in Kraft treten. Das EuGH-Gutachten ist daher auch wichtig für den Ratifizierungsprozess von CETA in Deutschland sowie für die Frage nach der zukünftigen Ausrichtung des EU-Investitionsschutzes.

 

 

+ + + 100 Tage Bolsonaro: Europaabgeordnete kündigen ihr „Nein“ zum EU-Mercosur-Abkommen an + + +

Am 10. April ist der als „Trump der Tropen“ oder „kleine Trump“ bezeichnete neue brasilianische Präsident Jair Bolsonaro einhundert Tage im Amt. Der Schutz des Regenwaldes müsste für die brasilianische Regierung an erster Stelle stehen – nicht nur zur Rettung des Klimas. Doch der wirtschaftsnahen Politik des Präsidenten im Dienste der Agrarlobby geht es ausschließlich um Profit. Die indigene Bevölkerung, deren Zuhause der Regenwald ist, leidet darunter ganz unmittelbar, die Folgekosten trägt der gesamte Erdball. Auch für Menschenrechtsaktivist*innen, Homosexuelle und Transgender, Gewerkschafter*innen und Umweltschützer*innen hat sich die Lage in Brasilien drastisch verschärft. Kann man also mit dem gegenwärtigen brasilianischen Präsidenten, der wie US-Präsident Trump den Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen angekündigt hat, noch Freihandelsverträge abschließen? Mit jemandem, der schon in den ersten einhundert Tagen seines Amtes eine Reihe von Maßnahmen ergriffen hat, die zur Verletzung von Land- und Menschenrechten sowie zur Schädigung der Umwelt führen, und die die Grundsätze der EU-Handelsstrategie „Handel für alle“ direkt untergraben? Für die Bundesregierung und die Europäische Kommission ist dies alles kein Problem: Nachdem die Verhandlungen auch bei der 38. Verhandlungsrunde Mitte März nicht abgeschlossen werden konnten, sollen sie im Mai fortgesetzt werden.

Widerstand kommt dagegen von einigen wenigen Europaabgeordneten. In einem fraktionsübergreifenden Brief an Handelskommissarin Malmström erklärten grüne, linke und einige sozialdemokratische Abgeordnete am 25. März: „Solange wir keine Garantien haben, dass das Bolsonaro-Regime ein echtes Bekenntnis zu seiner Verantwortung im Rahmen des Pariser Klimaabkommens eingeht, und nicht sichergestellt ist, dass die Rechte der indigenen Bevölkerung in seinem Land uneingeschränkt geschützt sind, werden wir uns nicht einverstanden erklären, einem EU-Mercosur-Handelsabkommen zuzustimmen.“

 

 

+ + + Veröffentlichungen + + +

 

TTIP, CETA, JEFTA. Wie die neuen Freihandelsabkommen Rechtsstaat und Demokratie sowie die zwischenstaatlichen Beziehungen verändern

Vortrag von Siegfried Broß bei der gemeinsamen Veranstaltung der Urania Berlin e.V. und dem Berliner Netzwerk TTIP | CETA | TiSA stoppen! am 11. Februar 2019 in Berlin

Herausgegeben vom Berliner Wassertisch, Februar 2019

http://www.berliner-wassertisch.info/wp-content/uploads/2019/02/BROSS-JFF-2019.pdf

 

Das Handels-und Investitionsschutzabkommen mit Singapur: Einfallstor für Konzernklagen fossiler Energieunternehmen gegen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union

Herausgegeben vom BUND, Februar 2019

https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/ttip_und_ceta/handels_investitionsschutzabkommen_singapur.pdf

 

EU-Singapur: EU-Kommission nennt Konzerneinfluss „Transparenz“

Eine kritische Bilanz zur Ratifizierung des EU-Singapur Abkommens

Blogbeitrag von LobbyControl, Februar 2019

https://www.lobbycontrol.de/2019/02/eu-singapur-eu-kommission-nennt-konzerneinfluss-transparenz/

 

Videos zur Kampagne „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!“

Über 25 Organisationen allein aus Deutschland unterstützen die aktuelle Kampagne, die Sonderklagerechte für Konzerne abschaffen und die Straffreiheit von Konzernen beenden will. Mit welchen Gründen, erklären sie in kurzen Videostatements.

https://www.youtube.com/channel/UCxyF_Cz6uYs_44TkdbOTqBw/videos

 

 

 

+ + + Termine + + +

 

Multiplikator*innentraining zur Kampagne „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!“

26./27. April 2019, Jugendherberge Göttingen

Veranstaltet von Attac, BUND, CorA-Netzwerk, Greenpeace, NaturFreunde Deutschlands, Netzwerk Gerechter Welthandel, PowerShift e.V.

Programm und Anmeldung: https://www.gerechter-welthandel.org/multiplikatorentraining/

 

 

 

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