Am 1. September finden die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen statt. Die Wahlen haben nicht nur Auswirkungen auf die Landespolitik, denn mit einer Änderung der Regierungskoalitionen ändern sich auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Eine Entscheidung, die der Bundesrat in den kommenden Monaten oder Jahren fällen wird, ist das „Ja“ oder „Nein“ zur Ratifizierung des EU-Kanada-Abkommens CETA. Wir haben die Parteien nach ihren Positionen befragt und präsentieren im Folgenden die Antworten aus Brandenburg (die Antworten aus Sachsen gibt es hier).

Befragt wurden diejenigen Parteien, die bereits im aktuellen Landtag vertreten sind (mit Ausnahme der AfD [1]). Der Wortlaut unserer Frage lautete: Werden Sie sich im Fall einer Regierungsbeteiligung dafür einsetzen, dass Brandenburg dem EU-Kanada-Abkommen CETA im Bundesrat nicht zustimmt?

 

So positionieren sich die brandenburgischen Parteien zu CETA

Die SPD Brandenburg enthält sich einer klaren Antwort auf unsere Frage nach dem Abstimmungsverhalten im Bundesrat. Allerdings äußert sie keinerlei Kritik an CETA, sondern führt hingegen an, dass das Abkommen „zukunftsweisende Regeln für den Schutz der Arbeitnehmerrechte, der öffentlichen Daseinsvorsorge und für einen fortschrittlichen Investitionsgerichtshof“ enthalte. Zudem bestreitet die SPD, dass CETA „private Schiedsgerichte“ beinhalte – obwohl das Abkommen einseitige Schadensersatzklagen von Unternehmen gegen Staaten ermöglicht. Daher gehen wir davon aus, dass sich die Partei im Falle einer Regierungsbeteiligung für eine Zustimmung zu CETA einsetzen wird.

Die vollständige Antwort der SPD Brandenburg

„Ein fairer offener Welthandel ist die Grundlage für eine gerechte Verteilung des Wohlstands. Er ist auch Garant für Frieden, Stabilität und Grundlage funktionierender Staatlichkeit. Europa muss treibende Kraft sein, die Verflechtung des Welthandels sozial, ökologisch und transparent zu gestalten.
Auf Betreiben der Bundes SPD ist es in intensiven Verhandlungen mit der neuen kanadischen Regierung gelungen, im Abkommen zwischen EU und Kanada (CETA) zukunftsweisende Regeln für den Schutz der Arbeitnehmerrechte, der öffentlichen Daseinsvorsorge und für einen fortschrittlichen Investitionsgerichtshof zu vereinbaren. Private Schiedsgerichte sind damit ausgeschlossen. Dies muss auch für alle künftigen Handelsabkommen der EU gelten.
CETA muss als gemischtes Abkommen sowohl durch das Europäische Parlament als auch durch die nationalen Parlamente ratifiziert werden. Im Zuge dieses Prozesses unterzieht die SPD Brandenburg daher erneut alle Aspekte einer sorgfältigen Prüfung und wird im Lichte der Interessen Brandenburgs entscheiden.“

 

Die CDU Brandenburg hingegen liefert eine eindeutige Antwort auf unsere Frage: Demnach wird die Partei „sich dafür einsetzen, dass Brandenburg dem Abkommen im Bundesrat zustimmt“. Aus unserer Sicht ist daher klar: Daumen runter für eine globale gerechte Handelspolitik, die Klima, Umwelt und Menschenrechte vor Konzerninteressen stellt.

Die vollständige Antwort der CDU Brandenburg

„Nein. Die CDU Brandenburg unterstützt CETA und wird sich dafür einsetzen, dass Brandenburg dem Abkommen im Bundestat zustimmt. CETA enthält weitreichende Handelserleichterungen, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen. Die Zölle auf Industriegüter werden fast vollständig abgeschafft. Zusätzlich stellen weitreichende Vorschriften in CETA sicher, dass Kanada und die EU-Mitgliedstaaten Belange des Allgemeinwohls wie zum Beispiel Umwelt-, Verbraucher- oder Gesundheitsschutz auch weiterhin uneingeschränkt regeln können.“

 

Die LINKE. Brandenburg spricht sich gegen CETA und ähnliche Handelsabkommen aus, „da der enthaltene Streitbeilegungsmechanismus eine Paralleljustiz und eine einseitige Begünstigung von Konzernen schafft“. Auf die Frage nach dem Abstimmungsverhalten im Bundesrat antwortet die Partei: „Solange bei solchen Abkommen Wirtschaftsinteressen vor sozialer Gerechtigkeit, Klimaschutz und Gemeinwohl stehen, können wir im Bundesrat dem Abkommen CETA und anderen Handels- und Investitionsschutzabkommen nicht zustimmen.“ Wir werten dies als eine Zusage, sich gegen die Ratifizierung von CETA im Bundesrat einzusetzen.

Die vollständige Antwort von Die LINKE.Brandenburg

Die LINKE. Brandenburg spricht sich gegen CETA und ähnliche Handelsabkommen aus, „da der enthaltene Streitbeilegungsmechanismus eine Paralleljustiz und eine einseitige Begünstigung von Konzernen schafft“. Auf die Frage nach dem Abstimmungsverhalten im Bundesrat antwortet die Partei: „Solange bei solchen Abkommen Wirtschaftsinteressen vor sozialer Gerechtigkeit, Klimaschutz und Gemeinwohl stehen, können wir im Bundesrat dem Abkommen CETA und anderen Handels- und Investitionsschutzabkommen nicht zustimmen.“

 

Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg hat als einzige der befragten Parteien die Handelspolitik bereits in ihrem Landtagswahlprogramm berücksichtigt und mit Blick auf CETA versprochen: „Solche Abkommen lehnen wir im Bundesrat ab“. In der Antwort auf unseren Wahlprüfstein wiederholen die Grünen ihre Ablehnung von „CETA in dieser Form“ und fordern eine Handelspolitik, die Sozial- und Umweltstandards sowie die kommunale Daseinsvorsorge schützt, „den Pariser Klimavertrag als wesentlichen Bestandteil verankert“ und die Mitentscheidung der Parlamente garantiert. Allerdings ist eine klare Absichtserklärung, im Bundesrat gegen CETA zu stimmen, in der Beantwortung unseres Wahlprüfsteins nicht mehr enthalten. Zudem gehen die Grünen davon aus, dass die Inhalte des Abkommens zum jetzigen Zeitpunkt noch verändert werden können. Dies ist aus unserer Sicht unzutreffend, nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass 13 Mitgliedsstaaten das Abkommen bereits vollständig ratifiziert haben. Wer einzelne Aspekte des Abkommens nachbessern möchte, muss zunächst die vorliegende Fassung ablehnen. Erst durch die Verweigerung einer Ratifizierung in den Mitgliedsstaaten ergäbe sich wiederum die Möglichkeit und Notwendigkeit von Nachverhandlungen.

Die vollständige Antwort von Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg

„Die Welthandelsordnung steht unter Druck. Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO) stecken in der Sackgasse. Immer mehr Staaten setzen darauf, nur mit einzelnen anderen Staaten Handelsabkommen abzuschließen. Die „America-first-Politik“ von Donald Trump oder Chinas aggressive Industriepolitik verstärken den Sog zu immer mehr bilateralen Abkommen. Wir sehen das skeptisch, denn dabei geraten die Interessen von Ländern, die keinen Platz am Verhandlungstisch haben, immer unter die Räder und die Verhandlungsposition ärmerer Länder wird geschwächt. In einer echten globalen Partnerschaft dürfen nicht nur die wirtschaftlich Stärksten entscheiden. Deswegen fordern wir die Wiederbelebung der Verhandlungen im Rahmen der WTO. Dazu sollte die EU einen Vorschlag vorlegen, der die WTO und das Welthandelssystem reformiert und neu belebt und langfristig unter das Dach der Vereinten Nationen stellt. Die Errichtung einer neuen globalen Welthandelsordnung wird Zeit brauchen. Daher können für den Übergang auch Abkommen zwischen einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen sinnvoll sein. An diese Abkommen legen wir aber harte Kriterien an. Sie dürfen nicht zulasten Dritter gehen. Sie müssen demokratisch und transparent zustande kommen. Das Europaparlament muss über das Mandat mitbestimmen, und mehr Verhandlungsdokumente sollen öffentlich sein. Die TTIP-Verhandlungen haben gezeigt, dass mehr Transparenz möglich ist. Auch müssen die Abkommen Umwelt- und Klimaschutz, Menschenrechte, Entwicklung und soziale Gerechtigkeit voranbringen. Getrieben von einer konservativ-neoliberalen Mehrheit, wurde in Europa eine Handelspolitik vorangebracht, die diesen Grundsätzen widerspricht oder sie sogar in ihr Gegenteil verkehrt. Im Mittelpunkt stehen die Interessen von großen Konzernen, während Verstöße gegen Umweltschutz, Arbeitnehmer*innen- und Menschenrechte weiterhin nicht bestraft werden.

Wir stehen für eine Handelspolitik, die die Globalisierung gerecht gestaltet, die in ihren Handelsabkommen verbindlich soziale und ökologische Standards und das Vorsorgeprinzip festschreibt, die kommunale Daseinsvorsorge ausreichend schützt, den Pariser Klimavertrag als wesentlichen Bestandteil verankert und die parlamentarische Mitentscheidung bei der sogenannten regulatorischen Kooperation garantiert. Es ist nicht hinnehmbar, dass es Sonderschiedsgerichte für Investoren gibt, während Klimaschutz, Menschenrechte oder das Vorsorgeprinzip nur schmückende Prosa bleiben. Wir lehnen einseitige Gerichte und Sonderklagerechte für private Investoren ab. Das sind unsere Maßstäbe für Handelsabkommen wie CETA, JEFTA und TTIP. Deshalb lehnen wir CETA in dieser Form weiterhin ab. Wir sind davon überzeugt, dass es möglich ist, das Abkommen im Sinne der oben genannten Kriterien zu verändern, solange es noch nicht endgültig in Kraft gesetzt ist. Die derzeit laufenden Vertragsanpassungen wollen wir nutzen. Wir sind zusammen mit einer breiten europäischen Zivilgesellschaft erfolgreich dagegen auf die Straße gegangen und haben dazu beigetragen, dass TTIP nicht gekommen ist und bei CETA und JEFTA einseitige Gerichte für private Investoren erst einmal verhindert werden konnten. Das macht deutlich, dass es sich lohnt, für faire, ökologische, gerechte und demokratische Handelsabkommen zu streiten, auch wenn wir noch nicht am Ziel sind. Denn leider halten die Kommission und die Mehrheit der Mitgliedstaaten unbeirrt an ihrer falschen Agenda fest. Wir GRÜNEN treten auf allen Ebenen dafür ein, dass diese Politik geändert wird.

Eine funktionierende Grundversorgung, also die Bereitstellung von Gütern wie Trinkwasser, aber auch der Zugang zu kulturellen Einrichtungen und schnellem Internet wie auch die Verfügbarkeit von öffentlichen Dienstleistungen wie der Feuerwehr bilden die Basis unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wir wollen nicht, dass beispielsweise das gut funktionierende lokale Wassernetz ein Spekulationsobjekt wird und darunter die Wasserqualität leidet. Eine funktionierende Daseinsvorsorge sichert die Lebensqualität der Bürger*innen und trägt zum sozialen Zusammenhalt bei. Es macht einen Unterschied, ob sich Bürger*innen bei konkreten Problemen an ihre Gemeinde und an ihre gewählten Vertreter*innen wenden können oder in der Warteschleife einer anonymen Firmenzentrale hängen. Die Europäische Union hat eine doppelte Bedeutung für Kommunalpolitik. Sie darf die kommunale Daseinsvorsorge nicht behindern. Es wird aber oft übersehen, dass die EU die Kommunen auch vor Liberalisierungsdruck schützen kann. Das wollen wir stärken und ausbauen. Wo Kommunen und Regionen in eigener Verantwortung über Dienstleistungen der Daseinsvorsorge entscheiden, dürfen ihre Handlungsspielräume nicht eingeschränkt werden. Wir schützen die öffentliche Daseinsvorsorge vor Deregulierung und Privatisierung. Dies gilt auch bei Verhandlungen über EU-Handelsabkommen mit anderen Wirtschaftsräumen, wie CETA mit Kanada oder JEFTA mit Japan. Wir wollen eindeutige Schutzklauseln gegen neue, zusätzliche Risiken, die soziale Dienstleistungen, die Wasserversorgung oder den Bildungsbereich bedrohen können. Das größte Risiko geht von möglichen Investoren aus, die aufgrund von Gewinnerwartungen gegen soziale, gesundheits- oder umweltschützende Standards klagen. Es ist unser Ziel, dass die Europäische Union klare und umfassende Ausnahmen für die kommunale Daseinsvorsorge und für öffentliche und soziale Dienstleistungen schafft.“

 

Grafische Darstellung der Ergebnisse

 

 

 

Hintergrund zur Ratifizierung von CETA

 

Das Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU mit Kanada (CETA) wird seit September 2017 zu großen Teilen vorläufig angewandt. Unter anderem die umstrittenenen Sonderklagerechte für Konzerne können jedoch erst in Kraft treten, wenn das Abkommen von den Parlamenten aller EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde. In Deutschland müssen sowohl Bundestag als auch Bundesrat grünes Licht geben. Im Bundesrat ist eine absolute Mehrheit von 35 Ja-Stimmen nötig, um CETA zu ratifizieren. Wenn alle Parteien, die die Proteste gegen CETA unterstützt haben, an dieser Position festhalten und der Ratifizierung nicht zustimmen, kann das Abkommen nach aktueller Sitzverteilung noch gestoppt werden!

 

Weitere Informationen zu unserer Kritik am EU-Kanada-Abkommen: „7 Gründe gegen CETA“ (Juni 2019)

 

Die AfD wurde von der Befragung ausgeschlossen, da sie als Sammelbecken unterschiedlicher Kräfte dient, in dem auch rechtsextreme Personen und Positionen vertreten sind. Zu unserem Selbstverständnis als Netzwerk Gerechter Welthandel gehört jedoch, dass wir jede Form von Rassismus, Rechtspopulismus und nationalen Ressentiments entschieden ablehnen.