Neoliberale Handelsabkommen sind Gift für das Klima

Was für die Rettung des Klimas getan werden muss, ist völlig klar: Emissionen senken, fossile Energieträger im Boden lassen, erneuerbare Energien massiv ausbauen, natürliche Senken schützen. Politische Entscheidungen sollten daraufhin überprüft werden, ob sie diese Ziele fördern oder ihnen zumindest nicht im Wege stehen. Legt man diesen Maßstab an die bestehenden und aktuell geplanten Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU an, kommt man zum Schluss: Diese Abkommen sind reines Gift für das Klima.

 

Handelsabkommen erhöhen die Emissionen

Handelsabkommen verfolgen das Ziel, Zölle und nicht-tarifäre Handelsbarrieren abzubauen, den internationalen Handel zu erleichtern und zu steigern – völlig ungeachtet dessen, welche Produkte gehandelt werden. Doch eine Steigerung des internationalen Handels bedeutet immer auch eine Steigerung der verkehrs- und transportbedingten Emissionen – die wesentlich zum Klimawandel beitragen. Während 2012 noch 3-4 Prozent der globalen Emissionen auf den Luft- und Seeverkehr zurückgingen, könnte dieser Anteil bis 2050 auf 40 Prozent steigen, mit fatalen Auswirkungen auf das Klima.[1]

Eine klimafreundliche Handelspolitik müsste den Handel daher nicht quantitativ, sondern qualitativ ausweiten: Sie müsste den Handel mit umwelt- und klimafreundlichen Gütern erleichtern, den Handel mit umwelt- und klimaschädlichen Gütern jedoch erschweren – zumindest dann, wenn dieselben Güter genausogut regional produziert werden können – also regionale Wertschöpfung schaffen – oder wenn sie bereits im Überfluss vorhanden sind.

Zum Beispiel in der Landwirtschaft: Obwohl Deutschland und die EU bereits Nettoexporteure von Geflügel und Schweinefleisch sind, erleichtert beispielsweise das EU-Mercosur-Abkommen den Import genau dieser Produkte und setzt starke Anreize, die Produktion in den Partnerländern hochzufahren. Die Folge: zusätzliche Emissionen und Umweltschäden, Überproduktion auf den Weltmärkten, Dumpingpreise zu Lasten der Erzeuger*innen und Beschäftigten. Ähnlich verhält es sich bei den geplanten Abkommen der EU mit Australien und Neuseeland, die noch mehr Milch und Rindfleisch auf den ohnehin schon übersättigten europäischen Markt bringen würden.

 

Handelsabkommen schützen fossile Energien 

Zahlreiche Handelsabkommen sind gleichzeitig Investitionsschutzabkommen und enthalten sogenannten Sonderklagerechte für Konzerne. Diese ermöglichen es internationalen Investoren, Staaten vor einem privaten, internationalen Schiedsgericht auf horrenden Schadensersatz zu verklagen, wenn sie sich beispielsweise durch neue Klimaschutzmaßnahmen ungerecht behandelt fühlen. Auch Investitionen in fossile Energieträger sind dabei ohne Wenn und Aber geschützt. Ausschließlich Investoren können diese Klagerechte in Anspruch nehmen; umgekehrt können sie jedoch nicht vom Staat oder einzelnen Bürger*innen verklagt werden, wenn sie gegen Klimaschutzvorgaben verstoßen.

Doch damit nicht genug – mit dem Vertrag über die Energiecharta existiert sogar ein eigenes Investitionsschutzabkommen, das ausschließlich Investitionen im Energiesektor abdeckt. Damit könnte zum Beispiel ein Investor, dessen Sitz in einem der über 50 Vertragsstaaten liegt und der Anteile an einer Kohlegrube in Deutschland hält, vor einem internationalen Schiedsgerichte gegen den deutschen Kohleausstieg klagen – mit Aussicht auf milliardenschwere Entschädigung. Dieses Szenario ist alles andere als abwegig: Genau mit einer solchen Klage droht derzeit der Energiekonzern Uniper gegenüber den Niederlanden, die Ende letzten Jahres den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 beschlossen haben.

Auch der deutsche Kohleausstieg könnte durch Sonderklagerechte für Konzerne beeinflusst und besonders teuer werden: Im öffentlich-rechtlichen Vertrag, den die Bundesregierung mit den Energiekonzernen RWE und Leag – das tschechischen Eigentümern gehört – schließen will, ist unter anderem die Zahlung von rund 4,35 Milliarden Euro Entschädigung vorgesehen. Eine Vertragsklausel legt nahe, dass mit dieser unverständlich hohen Summe mögliche Klagen auf Basis des Energiecharta-Vertrags verhindern werden sollen.

Auch wenn Klagen vor Schiedsgerichten nicht dazu führen, dass Klimaschutzmaßnahmen rückgängig gemacht werden – sie können den Preis für Klimaschutz in astronomische Höhen treiben. Und je höher die Kosten beispielsweise für den Kohleausstieg, desto größer die Hürden für Staaten, diese dringend notwendigen Maßnahmen durchzusetzen.

 

Handelsabkommen fördern den Handel mit fossilen Energien 

Doch Handelsabkommen schützen nicht nur Investitionen in fossile Energien, sondern fördern zudem den weiteren Ausbau des Handels mit fossilen Energieträgern. Das Abkommen der EU mit Kanada CETA beispielsweise schaffte alle noch bestehenden Zölle auf Öl- und Gasprodukte ab – mit der Folge, dass der Handel mit fossilen Treibstoffen kräftig anstieg. CETA trat im September 2017 zu großen Teilen vorläufig in Kraft, und bereits 2018 wurde doppelt so viel kanadisches Rohöl in die EU importiert wie im Vorjahr. 97 Prozent des kanadischen Erdöls bestehen aus dem besonders klima- und gesundheitsschädlichen Teersandöl, für dessen Export die kanadische Erdöllobby bei den CETA-Verhandlungen erfolgreich gekämpft hat.

 

Handelsabkommen befeuern Abholzung

Wälder spielen eine immense Rolle für das globale Klima: Als natürliche Senken speichern sie Kohlendioxid – und geben bei Entwaldung große Mengen davon frei. 25 bis 30 Prozent der jährlichen globalen Treibhausgasemissionen gehen bereits auf Abholzung zurück, in Brasilien verursachen Abholzung und Landnutzungsänderungen sogar 55 Prozent, in Paraguay 70 Prozent der Emissionen.[2]

Ein Großteil dieser Abholzung steht im direkten Zusammenhang mit dem globalen Handel. In Lateinamerika wird Regenwald vernichtet, um Flächen für Rinderhaltung sowie den Anbau von Soja und Zuckerrohr zu gewinnen – Produkte, die zu großen Teilen für den Export unter anderem nach Europa vorgesehen sind. Bis zu einem Fünftel des Sojas, das derzeit aus Brasilien in die EU importiert wird, stammt von Flächen, auf denen illegal gerodet wurde.[3] Und die Abholzung in Brasilien nimmt zu, 2019 lag sie so hoch wie seit elf Jahren nicht mehr, dieses Jahr stieg sie nochmals um weitere 34 Prozent.

Statt sich mit voller Energie auf den Stopp der Abholzung und die Schaffung entwaldungsfreier Lieferketten zu konzentrieren, will die EU jedoch ein Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten abschließen, das den Flächenhunger noch beschleunigen und die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes weiter vorantreiben würde.

 

Handelsabkommen enthalten keine wirksamen Klimaschutz-Klauseln

Die Widersprüche zwischen aktuellen Handelsabkommen und wirksamer Klimapolitik liegen also auf der Hand. Doch was ist mit den vereinbarten Klimaschutz-Klauseln, die beispielsweise die Umsetzung des Pariser Abkommens durch die Handelspartner garantieren sollen?

Leider sind diese Vertragsklauseln lediglich zahnlose Tiger: Aktuelle Handelsabkommen wie CETA oder das EU-Mercosur-Abkommen enthalten zwar sogenannte Nachhaltigkeitskapitel, die Vorgaben zum Klima- und Umweltschutz, zu Menschen- und Arbeitsrechten enthalten.[4] Ausgerechnet diese Kapitel sind jedoch vom Streitschlichtungsmechanismus der Abkommen ausgenommen und können somit nicht durchgesetzt werden. Wenn ein Vertragsstaat seine diesbezüglichen Pflichten verletzt, drohen keinerlei Sanktionen. Vorteile für die Nachhaltigkeit bringen sie somit nicht.

 

Für einen klimafreundlichen und global gerechten Welthandel!

Statt zur Rettung des Klimas beizutragen, stehen die aktuellen Handelsabkommen diesem Ziel im Weg. Daher fordern wir eine Neuausrichtung der EU-Handelspolitik und einen Welthandel, der Klima und Ressourcen, Menschen- und Arbeitsrechte aktiv schützt! Lasst uns daher am kommenden Freitag, den 25. September auf die Straße gehen – denn die Klimakrise macht keine Pause!

 

 

 

Fußnoten:

[1] https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2015/569964/IPOL_STU(2015)569964_EN.pdf

[2] https://power-shift.de/wp-content/uploads/2020/01/Study-on-the-EU-Mercosur-agreement-09.01.2020.pdf

[3] http://resources.trase.earth/documents/issuebriefs/TraseIssueBrief4_EN.pdf

[4] https://power-shift.de/wp-content/uploads/2019/08/Die-Nachhaltigkeitskapitel-in-EU-Handelsvertr%C3%A4gen-web.pdf