Am Dienstag, den 15. März 2022 hat das Bundesverfassungsgericht die Klagen gegen das CETA-Abkommen abgelehnt, darunter die größte Bundesverfassungsbeschwerde in der Geschichte der Bundesrepublik. Knapp 200.000 Bürger:innen hatten 2016 Klage eingereicht. Ob das gesamte Abkommen verfassungskonform ist, wurde damit aber nicht entschieden.

Vorausgegangen war der Entscheidung eine über fünf Jahre lange Befassung des höchsten deutschen Gerichts mit dem geplanten Abkommen. Im August 2016 hatten knapp 200.000 Bürger:innen Verfassungsbeschwerde gegen das Wirtschafts- und Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und Kanada eingereicht.

Dennoch ein Gewinn für die Demokratie

Trotz der Abweisung der Klagen durch das Gericht hat die größte Bundesverfassungsbeschwerde der Bundesrepublik einiges erreicht.So ließ das BVerfG durchblicken, dass nach der vollständigen Ratifizierung die Rückbindung der Ausschüsse an den Bundestag nicht mehr verfassungskonform sein könnte. Außerdem machen die Richter in ihrem Urteil sehr deutlich, dass sie einige Teile des Vertrags äußerst kritisch sehen, unter anderem die geplanten Schiedsgerichte. Für ein solches Gerichtssystem müsste Deutschland Hoheitsrechte an die EU übertragen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bezweifelt, ob diese Übertragung mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Einer der Hauptgründe, warum das BVerfG die Klagen letztendlich zurückgewiesen hat, liegt darin begründet, dass Deutschland das Abkommen noch nicht ratifiziert hat. Ein großer Erfolg der Verfassungsbeschwerden ist, dass die Entscheidungen des gemischten CETA-Ausschusses demokratisch an die Bundesregierung und den Bundestag gekoppelt sein müssen.
Wir möchten allen Kläger:innen danken, die einen langen Atem bewiesen und bis zuletzt mit juristischen Gutachten alles Mögliche versuchten.

Noch kann CETA verhindert werden

Doch noch ist es möglich, CETA zu verhindern:  Die Richter beurteilten nämlich ausschließlich die vorläufige Anwendung als mit dem Grundgesetz vereinbar. Ausdrücklich nicht in die Entscheidung eingeschlossen ist die Bewertung einer möglichen deutschen Ratifizierung und der darauf beruhenden Ratsentscheidung über den endgültigen Abschluss des Abkommens. Sobald ein Ratifizierungsgesetz in den Bundestag eingebracht werden sollte, können erneut Verfassungsbeschwerden eingereicht werden.

Klagen in Milliardenhöhe drohen

Auch wenn die vorläufige Anwendung mit dem Grundgesetz vereinbar ist, sagt dies nichts darüber aus, inwieweit CETA in der Anwendung auch Grundrechte gefährden könnte. Vor allem die intransparenten Ausschüsse, deren Entscheidungen nicht an die Parlamente zurückgebunden sind und die Sonderklagerechte für internationale Großinvestoren schaden unserer Demokratie und der so wichtigen Regulierungsfreiheit unserer Parlamente. Durch die Aktivierung der Schiedsgerichte würden Milliarden an Steuergeldern verloren gehen. Dabei brauchen die Regierungen gerade in diesen krisengebeutelten Zeiten die politische Handlungsfähigkeit, zu besteuern und zu subventionieren, ohne Angst vor Milliardenklagen ausländischer Investoren zu haben. Zur Erinnerung: Auch Investitionen in fossile Energieträger sind im Abkommen explizit geschützt.

Wie es jetzt weitergeht

Noch am Freitag, den 18 März 2022 wird die CDU/CSU einen entsprechenden Antrag zur Ratifizierung des Abkommens in den Bundestag einbringen. Die Befürworter des Freihandels werden jetzt behaupten, das Gericht habe alle Bedenken gegen das Abkommen ausgeräumt. In ihrem Antrag argumentieren sie sogar mit 14 Jahre alten Studien, die beweisen sollen, wie sehr das Wirtschaftswachstum durch das Abkommen wachsen soll. Bereits vor fünf Jahren wurden diese Erwartungen in einem neuen Gutachten deutlich gesenkt. An diesem Vorgehen wird deutlich, wie verzweifelt die Befürworter des Abkommens um Argumente ringen.

Wir appellieren an alle Demokrat:innen im Parlament und in der Regierung, dieses undemokratische und klimaschädliche Abkommen nicht zu ratifizieren.Wir werden daher alles daran setzen, gegen das Abkommen politisch und juristisch weiter vorzugehen.

 

Der Artikel stammt aus dem Newsletter des Umweltinstitut München vom 18.03.2022 und wurde verfasst von Ludwig Essig.