Am 27. Oktober finden die Landtagswahlen in Thüringen statt. Die Wahlen haben nicht nur Auswirkungen auf die Landespolitik, denn mit einer Änderung der Regierungskoalitionen ändern sich auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Eine Entscheidung, die der Bundesrat in den kommenden Monaten oder Jahren fällen wird, ist das „Ja“ oder „Nein“ zur Ratifizierung des EU-Kanada-Abkommens CETA. Wir haben die Parteien nach ihren Positionen befragt und präsentieren im Folgenden die Antworten.

Befragt wurden diejenigen Parteien, die bereits im aktuellen Landtag vertreten sind.[1] Der Wortlaut unserer Frage lautete: Werden Sie sich im Fall einer Regierungsbeteiligung dafür einsetzen, dass Thüringen dem EU-Kanada-Abkommen CETA im Bundesrat nicht zustimmt?

 

 

So positionieren sich die Thüringer Parteien zu CETA

Die CDU Thüringen beantwortet unseren Wahlprüfstein mit einem klaren “Nein”. Die Begründung: Internationale Handelsabkommen böten “große Exportchancen”, die Thüringer Wirtschaft profitiere vom Abbau von Handelshemmnissen und von der Vereinheitlichung von Standards. Eine fast gleichlautende Passage fand sich bereits Landtagswahlprogramm der CDU. Für uns heißt das: Die CDU ignoriert die Gefahren, die von CETA ausgehen – beispielsweise dann, wenn Umwelt-, Klima- oder Gesundheitsschutzmaßnahmen zu „Handelshemmnissen“ deklariert werden, die es pauschal abzubauen gelte. Ebenso ignoriert wird die Tatsache, dass die „Vereinheitlichung von Standards“ in der Regel durch eine Anpassung nach unten stattfindet, statt die jeweils besten Standards in allen Vertragsstaaten zu übernehmen. Zu den besonders problematischen Sonderklagerechten für Konzerne äußert sich die CDU nicht. Daher sagen wir: Daumen runter für eine global gerechte Handelspolitik, die Klima, Umwelt und Menschenrechte vor Konzerninteressen stellt.

Die vollständige Antwort der CDU Thüringen

„Nein. Wir begrüßen die Maßnahmen und Ansätze der Europäischen Union zum Freihandel und erteilen protektionistischen Bestrebungen eine klare Absage. Für den Wirtschaftsstandort Thüringen bieten internationale Handelsabkommen große Exportchancen. Sie tragen zum Abbau von Handelshemmnissen und der Vereinheitlichung von Standards bei, von denen auch die Thüringer Wirtschaft profitieren kann.“

 

Die LINKE. Thüringen lehnt CETA und ähnliche Abkommen ab und beantwortet unsere Frage klar und eindeutig: „Im Bundesrat wird es von Thüringer Seite mit einer Regierungsbeteiligung von DIE LINKE kein Ja für CETA geben.“ Begründet wird diese Position unter anderem mit der drohenden Schleifung von Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz, den Sonderklagerechten für Konzerne sowie den Vorschriften zur Liberalisierung von Dienstleistungen.

Die vollständige Antwort von Die LINKE.Thüringen

„Wir als DIE LINKE sehen das CETA-Abkommen sehr kritisch, vor allem bezüglich der Regeln des Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutzes. Diese sollen im Sinne von Konzerninteressen geschleift werden. Verbindliche, einklagbare Schutzrechte sind trotz eines Kapitels zu nachhaltiger Entwicklung, Umwelt und Arbeitnehmerrechten nicht enthalten.

Starke Durchsetzungsmöglichkeiten gibt es hingegen im Bereich der besonders umstrittenen Investorenrechte: Marktzugangsregeln für Investoren untersagen unter anderem die Bevorzugung kommunaler Anbieter bei der öffentlichen Auftragsvergabe, die Verweigerung von Konzessionen für große Ketten zum Schutz lokaler Einzelhändler, staatliche Subventionen, so zur Gewährleistung eines öffentlichen Bildungsangebotes.  Möglich ist hingegen, bei Verletzung dieser Regeln vor Schiedsgerichten zu klagen. Die Erfahrungen mit bestehenden Abkommen hat gezeigt, wie willkürlich derartige Klagerechte eingesetzt werden, um Umweltstandards, Arbeitnehmerrechte und Verbraucherschutz zu attackieren.

Auch öffentliche Dienstleistungen geraten durch die Investorenrechte und weitere Liberalisierungsvorschriften in Gefahr. Vereinbarungen, nach denen öffentliche Unternehmen profitorientiert arbeiten müssen, erhöhen zudem den Privatisierungsdruck. So genannte Sperrklinkenklauseln machen es extrem schwer, einmal privatisierte Dienstleistungen wieder zu vergesellschaften. Das könnte gerade im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge zu einem großen Problem werden.

DIE LINKE lehnt daher derartige Abkommen ab.

Wir stehen für eine Neuausrichtung der EU-Handelspolitik. Arbeitnehmer-, Umwelt- und Verbraucherschutz müssen Vorfahrt haben  vor privaten Profitinteressen. Vor allem aus politischen Gründen, aber auch weil CETA mit dem deutschen Grundgesetz unvereinbar ist, hat DIE LINKE auf Bundesebene vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Abkommen geklagt und zahlreiche parlamentarische Initiativen ergriffen, um das Abkommen zu stoppen. Sollte das CETA-Abkommen nach dem im Herbst erwarteten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Ratifizierung dem Bundesrat vorgelegt werden in der kommenden Legislatur, können wir als DIE LINKE. Thüringen Ihre Frage klar beantworten: Im Bundesrat wird es von Thüringer Seite mit einer Regierungsbeteiligung von DIE LINKE kein Ja für CETA geben.“

 

Die SPD Thüringen enthält sich einer klaren Antwort auf unsere Frage nach dem Abstimmungsverhalten im Bundesrat. Allerdings äußert sie keinerlei Kritik an CETA, sondern führt hingegen an, dass mit Kanada “entsprechende Maßstäbe” für den Umweltschutz, den Schutz von Verbraucher*innen und Arbeitnehmer*innen sowie für den “Handlungsspielraum des Gesetzgebers” gesetzt werden konnten. Daher gehen wir davon aus, dass sich die Partei im Falle einer Regierungsbeteiligung für eine Zustimmung zu CETA einsetzen wird.

Die vollständige Antwort der SPD Thüringen

„Grundsätzlich sind wir der Auffassung, dass Freihandelsabkommen für unsere Unternehmen und deren Handel mit dem Ausland wichtig sind. Der Abbau von Zulassungsbeschränkungen auf dem kanadischen Markt bietet die Chance für ein stärkeres Wachstum und führt damit potentiell zu einem Anstieg von Arbeitsplätzen. Besonders für die kleinen und mittleren Unternehmen Thüringens, die einen Großteil unserer Struktur ausmachen, können wir hier den Zugang zu einem ausländischen Markt erleichtern, etwa durch den Abbau von Zöllen. Zudem haben wir durch Handelsabkommen die Möglichkeit, mit anderen Ländern Maßnahmen zu vereinbaren, etwa um Rahmenbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Umwelt mitzugestalten.

Dennoch sind wir uns der Verantwortung bewusst, dass es Wirtschaftswachstum nicht um jeden Preis geben kann. Standards zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Umwelt dürfen nicht abgebaut werden. Ebenso muss der Handlungsspielraum des Gesetzgebers gewahrt bleiben. Nach langen Verhandlungen konnten mit Kanada im CETA-Abkommen entsprechende Maßstäbe gesetzt werden. Hinter diese darf man in zukünftigen Abkommen nicht zurückfallen.

Die Entscheidung über das Abstimmungsverhalten der Landesregierung im Bundesrat ist Aufgabe der Exekutive. Im Rahmen einer möglichen Regierungsbeteiligung unserer Partei werden wir dieses Thema und unsere Auffassung in die Verhandlungen einbringen.“

 

Bündnis 90/Die Grünen Thüringen hatte als einzige Thüringer Partei CETA bereits im Landtagswahlprogramm erwähnt und sich zur Ablehnung des Abkommens “in der vorliegenden Form” bekannt. In der Antwort auf unseren Wahlprüfstein wiederholt sie diese Position und nennt als Gründe unter anderem die Sonderklagerechte für Konzerne, den drohenden Abbau von Standards, die Einschränkung der kommunalen Handlungsfähigkeit und die negativen Auswirkungen auf die bäuerliche Landwirtschaft. Zwar enthält sich die Partei einer klaren Aussage zum Abstimmungsverhalten im Bundesrat, da CETA zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht mehr nachverhandelt werden kann, muss aus dieser Position konsequenterweise eine Ablehnung oder zumindest Enthaltung im Bundesrat folgen.

Die vollständige Antwort von Bündnis 90/Die Grünen Thüringen

„Mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird es keine Handelsabkommen geben, die menschenrechtliche, soziale oder ökologische Standards abbauen, die Rechte von Arbeitnehmer*innen und den Schutz der Verbraucher*innen gefährden oder Sonderklagerechte für Konzerne beinhalten. Deswegen lehnen wir CETA, TTIP, TiSA und Co. in der vorliegenden Form ab.

Das CETA-Abkommen birgt enorme Gefahren für die öffentlichen Haushalte, die Handlungsfähigkeit kommunaler Träger öffentlicher Dienstleistungen, die Systeme der sozialen Sicherung, den Erhalt und die Fortentwicklung wichtiger Standards zum Schutz von Menschen und Umwelt, die Rolle der Parlamente und übt Druck aus auf die bäuerliche und ökologische Landwirtschaft in Deutschland und Europa.

Wir BÜNDNISGRÜNE stehen für eine Handelspolitik, die die Globalisierung gerecht gestaltet, die in ihren Handelsabkommen verbindlich soziale und ökologische Standards und das Vorsorgeprinzip festschreibt, die kommunale Daseinsvorsorge ausreichend schützt, den Pariser Klimavertrag als wesentlichen Bestandteil verankert und die parlamentarische Mitentscheidung bei der sogenannten regulatorischen Kooperation garantiert. Handelsabkommen müssen demokratisch und transparent zustande kommen. Sonderschiedsgerichte sind für uns nicht hinnehmbar.“

 

Grafische Darstellung der Ergebnisse

 

 

 

Hintergrund zur Ratifizierung von CETA

 

Das Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU mit Kanada (CETA) wird seit September 2017 zu großen Teilen vorläufig angewandt. Unter anderem die umstrittenenen Sonderklagerechte für Konzerne können jedoch erst in Kraft treten, wenn das Abkommen von den Parlamenten aller EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde. In Deutschland müssen sowohl Bundestag als auch Bundesrat grünes Licht geben. Im Bundesrat ist eine absolute Mehrheit von 35 Ja-Stimmen nötig, um CETA zu ratifizieren. Wenn alle Parteien, die die Proteste gegen CETA unterstützt haben, an dieser Position festhalten und der Ratifizierung nicht zustimmen, kann das Abkommen nach aktueller Sitzverteilung noch gestoppt werden!

 

Weitere Informationen zu unserer Kritik am EU-Kanada-Abkommen: „7 Gründe gegen CETA“ (Juni 2019)

Wahlprüfsteine zur Landtagswahl in Brandenburg: https://www.gerechter-welthandel.org/2019/08/18/stop-ceta-unser-wahlpruefstein-zu-den-landtagswahlen-in-brandenburg/

Wahlprüfsteine zur Landtagswahl in Sachsen: https://www.gerechter-welthandel.org/2019/08/18/stop-ceta-unser-wahlpruefstein-zu-den-landtagswahlen-in-sachsen/

 

 

Anmerkung: Die Wahlprüfsteine wurden am 12.7.2019 an die im Landtag vertretenen Parteien verschickt; die AfD haben wir von der Befragung ausgenommen. Die Partei dient als Sammelbecken unterschiedlicher Kräfte, in dem auch rechtsextreme Personen und Positionen vertreten sind. Zu unserem Selbstverständnis als Netzwerk Gerechter Welthandel gehört jedoch, dass wir jede Form von Rassismus, Rechtspopulismus und nationalen Ressentiments entschieden ablehnen.