Am 23. Februar findet die Bürgerschaftswahl in Hamburg statt. Die Wahlen haben nicht nur Auswirkungen auf die Landespolitik, denn mit einer Änderung der Regierungskoalitionen ändern sich auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Eine Entscheidung, die der Bundesrat in den kommenden Monaten oder Jahren treffen wird, ist das „Ja“ oder „Nein“ zur Ratifizierung des EU-Kanada-Abkommens CETA. Wir haben die Parteien nach ihren Positionen gefragt.

 

Das Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU mit Kanada (CETA) wird seit September 2017 zu großen Teilen vorläufig angewandt. Unter anderem die umstrittenen Sonderklagerechte für Konzerne können jedoch erst in Kraft treten, wenn das Abkommen von den Parlamenten aller EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde. In Deutschland müssen sowohl Bundestag als auch Bundesrat grünes Licht geben. Im Bundesrat ist eine absolute Mehrheit von 35 Ja-Stimmen nötig, um CETA zu ratifizieren. Wenn alle Parteien, die die Proteste gegen CETA unterstützt haben, an dieser Position festhalten und der Ratifizierung nicht zustimmen, kann das Abkommen nach aktueller Sitzverteilung noch gestoppt werden.

Daher haben wir uns im Vorfeld der Wahl an alle Parteien gewandt, die bereits in der aktuellen Bürgerschaft  vertreten sind (die AfD wurde nicht befragt, Erklärung s.u.). Hier präsentieren wir ihre Antworten.

Der Wortlaut unserer Frage lautete: Werden Sie sich im Fall einer Regierungsbeteiligung dafür einsetzen, dass Hamburg dem EU-Kanada-Abkommen CETA im Bundesrat nicht zustimmt?

 

Die SPD Hamburg antwortet mit einem klaren „Nein“ auf unsere Frage und gibt stattdessen an, dem Abkommen „positiv gegenüber“ zu stehen und sich für die Ratifizierung einsetzen zu wollen. Sie äußert keinerlei Kritik, sondern verweist vielmehr darauf, dass das Abkommen „zukunftsweisende Regeln für den Schutz der Arbeitnehmerrechte, der öffentlichen Daseinsvorsorge und für einen fortschrittlichen Investitionsgerichtshof“ enthalte. Diese uneingeschränkt positive Einschätzung steht im Gegensatz zu anderen Landesverbänden sowie der Einschätzung der neuen SPD-Spitze: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hatten CETA kurz vor ihrer Wahl als „nach wie vor unzureichend“ bezeichnet und insbesondere die Sonderklagerechte für Konzerne scharf kritisiert. Denn diese seien nicht mit dem Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz vereinbar und außerdem in der Vergangenheit bereits „in vielen Urteilen in Stellung gebracht [worden] gegen das Recht eines jeden Parlamentes, soziale und ökologische Regulierungen vorzunehmen“.

Die vollständige Antwort der SPD Hamburg

„Nein. Hamburg ist eine internationale Handelsmetropole. Die Unternehmen unserer Stadt sind stark in den internationalen Handel eingebunden. Diese Handelsbeziehungen sorgen für Arbeitsplätze und letztlich den Wohlstand in unserer Stadt. Vor diesem Hintergrund sowie in Anbetracht des Umstandes, dass wirtschaftliches Wachstum nicht nur über die Binnennachfrage, sondern auch über dynamische und schnell wachsende Auslandsmärkte generiert werden kann, hat sich Hamburg stets für einen möglichst barrierefreien internationalen Handel eingesetzt. Bei dem geplanten Handelsabkommen CETA geht es nicht nur um den Abbau von Handelshemmnissen. Die transatlantischen Beziehungen stehen auch auf einem gemeinsamen Wertefundament und zeichnen sich durch besonders enge Bindungen in politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht aus. Wir müssen weiter daran arbeiten, gemeinsam mit Kanada gemeinsame Antworten auf die vielfältigen globalen Herausforderungen zu finden. Freihandelsabkommen sehen wir hier als wichtige Bausteine. Wichtig ist uns dabei, dass hohe europäische Standards gewahrt bleiben. Wir wollen perspektivisch einen unabhängigen internationalen Handelsgerichtshof etablieren. Die TTIP-Verhandlungen haben gezeigt, dass das noch nicht erreichbar ist.
Hingegen ist es in intensiven Verhandlungen mit der neuen kanadischen Regierung gelungen, im Abkommen zwischen EU und Kanada (CETA) zukunftsweisende Regeln für den Schutz der Arbeitnehmerrechte, der öffentlichen Daseinsvorsorge und für einen fortschrittlichen Investitionsgerichtshof zu vereinbaren. Private Schiedsgerichte sind damit ausgeschlossen. Dies muss auch für alle künftigen Handelsabkommen der EU gelten. Vor diesem Hintergrund stehen wir dem Handelsabkommen CETA positiv gegenüber und werden uns für die Ratifizierung einsetzen.“

 

Auch die CDU Hamburg will CETA ratifizieren und hält „ein klares Bekenntnis zu diesem Freihandelsabkommen“ für „unabdingbar“. Aus unserer Sicht gilt daher sowohl für SPD als auch für CDU: Daumen runter für eine global gerechte Handelspolitik, die Klima, Umwelt und Menschenrechte vor Konzerninteressen stellt.

Die vollständige Antwort der CDU Hamburg

„Die CDU Hamburg wird sich nicht gegen CETA aussprechen und nach derzeitigem Stand wird es auch die neu zu wählende CDU-Bürgerschaftsfraktion nicht tun. Hamburg muss im Bundesrat für das Freihandelsabkommen CETA stimmen. Durch Inkrafttreten des Freihandelsabkommens CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) würden mehr als 99% der Einfuhrzölle beseitigt, und zwar sowohl in Kanada als auch in der Europäischen Union. In beträchtlichem Umfang würden neue Marktchancen für Dienstleistungen und Investitionen entstehen. Das Abkommen enthält unter anderem Bestimmungen zum öffentlichen Beschaffungswesen, zum Investorenschutz, zu Rechten des geistigen Eigentums, gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen, geografischen Angaben und nachhaltiger Entwicklung, zur Zusammenarbeit in Regulierungsfragen und gegenseitigen Anerkennung, zu Handelserleichterungen, zur Zusammenarbeit bei Rohstoffen, zur Streitbeilegung und zu technischen Handelshemmnissen. Ein klares Bekenntnis zu diesem Freihandelsabkommen halten wir unabdingbar.“

 

Bündnis90/Die Grünen Hamburg äußern sich hingegen kritisch gegenüber dem Abkommen. Einerseits sind auch die Grünen der Ansicht, dass die breiten Proteste gegen CETA „zu Verbesserungen am Abkommen geführt“ hätten und begrüßen – ebenso wie die SPD – den in CETA angestrebten multilateralen Investitionsgerichtshof. Dabei würde auch dieser weiterhin nur transnational tätigen Konzernen exklusive Klagerechte gegen Staaten verleihen, und somit Konzernrechte weiter ausbauen und gegenüber einheimischen Investoren oder Bürger*innen privilegieren! Gleichzeitig stellt sich die Partei gegen Handelsabkommen, die zur Absenkung von Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitsschutzstandards führen und die kommunale Daseinsvorsorge in Frage stellen und versichert: „Wir GRÜNE haben beschlossen, dass wir CETA mit dem derzeitigen Vertragstext ablehnen. Die bisherigen Entwicklungen führen nicht dazu, dass wir eine Notwendigkeit sehen diesen Beschluss zu ändern.“ Auf diese Position gilt es, die Partei festzulegen. Mit den Stimmen der grün mitregierten Bundesländer kann CETA im Bundesrat noch gestoppt werden!

Die vollständige Antwort von Bündnis 90/Die Grünen Hamburg

„Grundsätzlich gilt, dass Handelsabkommen nicht dazu führen dürfen, dass Schutzstandards in den Bereichen wie etwa Umwelt, Gesundheit, Verbraucher- und Datenschutz oder Rechte von Arbeitnehmeri*nnen geschwächt werden. Das Recht, diese Bereiche zu regulieren und somit auch das Recht, Standards anzuheben, muss bei den zuständigen Institutionen auf europäischer und nationaler Ebene erhalten bleiben. Wir treten dafür ein, dass soziale und ökologische Standards weiterhin Bestandteil öffentlicher Ausschreibungen sein können. Auch das Recht zur Regelung der kommunalen Daseinsvorsorge darf nicht in Frage gestellt werden. Gleichzeitig ist der faire und freie Handel – insbesondere in Zeiten ökonomischer Nationalismen – ein wichtiger Anker einer multilateralen Wirtschaftsordnug.
Die breit getragene und massive zivilgesellschaftliche Kritik an CETA hat in 2016 zu Verbesserungen am Abkommen geführt. So wurden etwa das in der EU geltende Vorsorgeprinzip explizit bekräftigt, unklare Rechtsbegriffe korrigiert und die Schiedsgerichtsbarkeit transparenter gestaltet. Das gemeinsame Auslegungsinstrument sieht jetzt zudem vor, dass das bilaterale Schiedsgerichtssystem nur so lange zuständig ist, bis ein angestrebter multilateraler Investitionsgerichtshof geschaffen ist.
Die Ratifizierung von CETA in Bundestag und Bundesrat steht aktuell noch nicht an. Derzeit wird vom Bundesverfassungsgericht geprüft, ob insbesondere die Investitionsschutzregelungen mit deutschem Recht vereinbar sind. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund angekündigt, das Ratifizierungsgesetz erst nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vorlegen zu wollen. Wir GRÜNE haben beschlossen, dass wir CETA mit dem derzeitigen Vertragstext ablehnen. Die bisherigen Entwicklungen führen nicht dazu, dass wir eine Notwendigkeit sehen diesen Beschluss zu ändern.“

 

Die LINKE.Hamburg lehnt CETA und ähnliche Abkommen grundsätzlich ab und verspricht, sich in der Bürgerschaft gegen die Ratifizierung des Abkommens sowie für einen „solidarischen Handel“ zu engagieren.

Die vollständige Antwort von Die LINKE.Hamburg

„Wir haben dazu in der Bürgerschaft, vor der Annahme durch die EU mehrfach die Initiative ergriffen:

  • Antrag „Hamburg lehnt CETA ab“ am 16.9.2015 (Drs. 21/1625)
  • Große Anfrage „Auswirkungen der Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TISA auf die Freie und Hansestadt Hamburg“ am 13.10.2015 (Drs. 21/1926)
  • Antrag „Hamburg sagt Nein zu CETA und TTIP“ am 22.8.2016 (Drs. 21/5648)
  • Aktuelle Stunde „Nach dem Votum des Europa-Parlaments: Hamburg muss und kann Ceta im Bundesrat stoppen“ am 1.3.2017
  • Antrag „Hamburg lehnt CEATA ab – Der Bundesrat muss vor den Bundestagswahlen über CETA entscheiden“ am 31.5.2017 (Drs. 21/9303)

 An dieser Positionierung gegenüber den Freihandelsabkommen, nicht nur gegenüber CETA, hat sich für uns nichts geändert. Die völlig unterschiedlichen Standpunkte der anderen demokratischen Bürgerschaftsparteien gegenüber den ausgehandelten Freihandelsabkommen sind für uns, als Partei der internationalen Solidarität, einer der Aspekte, die uns zur Überzeugung bringen, dass eine Beteiligung der LINKEN an einer Koalition in Hamburg nicht erfolgversprechend ist. Insofern werden wir uns aber natürlich weiterhin in der Bürgerschaft gegen die Annahme von CETA im Bundesrat engagieren und für eine solidarische Welt und einen solidarischen Handel zwischen den Ländern einsetzen und genau aus dieser Erkenntnis heraus auch CETA ablehnen.“

 

Die FDP Hamburg will sich für die Ratifizierung des Abkommens einsetzen. Ebenso wie die CDU sieht sie keinerlei kritischen Punkte, sondern verweist auf angeblich positive Auswirkungen auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze und für deutsche Wirtschaft, unter anderem in der Pharmaindustrie. Dass CETA die Patentregelungen für Medikamente in Kanada veränderte und die Medikamentenpreise in Kanada in die Höhe schnellen lässt, scheint hier irrelevant. Auch die Aussage, dass CETA „hohen Standards und Normen weltweit Geltung“ verschaffe, scheint mehr Wunsch denn Wirklichkeit: Die Erfahrung zeigt, dass eine Angleichung von Standards in der Regel auf das jeweils niedrigere Niveau erfolgt. Im Rahmen der in CETA vereinbarten regulatorischen Kooperation versuchen Chemie- und Pestizidhersteller bereits jetzt, europäische Standards beispielsweise zur Regulierung von Pestiziden oder zur Sicherheit von Kinderspielzeug anzugreifen.

Die vollständige Antwort der FDP Hamburg

„Wir Freien Demokraten werden uns dafür einsetzen, dass Hamburg dem CETA‐Abkommen im Bundesrat zustimmen wird. Wir bekennen uns zum regelbasierten Freihandel als Grundlage internationaler Handelsbeziehungen und treten für transparentere  Freihandelsabkommen ein. Das Abkommen zwischen der EU und Kanada bringt große Vorteile für die exportorientierte deutsche Wirtschaft und ist ein Garant für die Sicherung bestehender sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Davon kann Hamburg als Handelsmetropole im Besonderen profitieren. Unsere Unternehmen sind vielfach in den Sektoren aktiv, die durch CETA besonders profitieren: Maschinenbau, Pharmaindustrie oder Elektroindustrie. CETA stärkt nicht nur die Handels‐ und Investitionsbeziehungen zwischen Kanada und der EU, sondern verschafft hohen Standards und Normen weltweit Geltung. Die vollständige Umsetzung von CETA sehen wir Freien Demokraten als Chance für Hamburg und Deutschland.“

Anmerkung: Die AfD haben wir nicht befragt. Die Partei dient als Sammelbecken unterschiedlicher Kräfte, in dem auch rechtsextreme Personen und Positionen vertreten sind. In unserem Positionspapier zur Gründung des Netzwerks Gerechter Welthandel haben wir deutlich gemacht, dass wir gemeinsam eintreten für eine solidarische Welt, in der Vielfalt eine Stärke ist. Wir wenden uns deshalb gegen jede Form von Rassismus, Rechtspopulismus und nationalen Ressentiments. Die genannten Parteien haben wir deshalb nicht in die Befragung einbezogen.

 

 

Grafische Darstellung der Ergebnisse

 

 

 

 

Hintergrund zur Ratifizierung von CETA

Das Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU mit Kanada (CETA) wird seit September 2017 zu großen Teilen vorläufig angewandt. Unter anderem die umstrittenenen Sonderklagerechte für Konzerne können jedoch erst in Kraft treten, wenn das Abkommen von den Parlamenten aller EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde. In Deutschland müssen sowohl Bundestag als auch Bundesrat grünes Licht geben. Im Bundesrat ist eine absolute Mehrheit von 35 Ja-Stimmen nötig, um CETA zu ratifizieren. Wenn alle Parteien, die die Proteste gegen CETA unterstützt haben, an dieser Position festhalten und der Ratifizierung nicht zustimmen, kann das Abkommen nach aktueller Sitzverteilung noch gestoppt werden!

 

Weitere Informationen zu unserer Kritik am EU-Kanada-Abkommen: „7 Gründe gegen CETA“ (Juni 2019)