Nichtregierungsorganisationen und lokale Bündnisse aus zwölf deutschen Städten waren am 12. Oktober auf der Straße und beteiligten sich am dezentralen Aktionstag „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!”. Mit kreativen Aktionen, Infoständen und Unterschriftensammlungen forderten sie, das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) nicht zu ratifizieren, keine neuen Abkommen mit Sonderklagerechten für Unternehmen (ISDS) abzuschließen und Konzerne für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung zur Verantwortung zu ziehen.

 

Zwölf Aktionen und eine Bustour

Vor dem Bundeskanzleramt in Berlin stellten Aktive einige besonders drastische ISDS-Klagefälle von Konzernen gegen Staaten vor: Beispielsweise die Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall, der über 6 Milliarden Euro Schadensersatz für den deutschen Atomausstieg fordert; oder die Klage des kanadischen Unternehmens Gabriel Resources, das Rumänien auf über 4,4 Milliarden US-Dollar verklagt, weil seine geplante giftige Goldmine nicht genehmigt wurde. Die Auswirkungen derartiger Klagen wurden mit Hilfe einer überdimensionalen Faust dargestellt, welche Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz sowie die Demokratie zertrümmert.

Weitere Aktionen gab es unter anderem in Hamburg, Köln, Konstanz und München. In Frankfurt am Main sammelten sich Aktive unter dem Motto „Menschenrechte in der Textilbranche schützen” auf der Einkaufsmeile Zeil und forderten die Durchsetzung und den Schutz von Menschenrechten in der Textilindustrie. Die Aktion bildete den Auftakt für eine internationale Bustour, die die Forderung „Menschenrechten vor Unternehmensgewinnen“ von Genf nach Wien brachte: Denn in Genf verhandelte vom 14.-18. Oktober der UN-Menschenrechtsrat über ein völkerrechtliches Abkommen, das Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen haftbar machen würde („Binding Treaty“). Zeitgleich plante in Wien die UN-Handelsrechtskommission eine Neuauflage der Sonderklagerechte für Konzerne: Die EU will einen so genannten „multilateralen Investitionsgerichtshof“ (MIC) einrichten und wird dabei unter anderem von der Bundesregierung unterstützt. Dieser Gerichtshof würde die Sonderklagerechte für Konzerne jedoch festigen, statt Konzernmacht zu begrenzen und Menschenrechte und Umwelt besser zu schützen.

Doch die Alternative zum aktuellen System der Konzern-Sonderklagerechte ist nicht ein reformiertes System, sondern „das Ende der Paralleljustizgerichtsbarkeit“, wie Pia Eberhardt im Interview mit der TAZ erläuterte: „In Europa haben wir die unabhängigsten Gerichte der Welt. Vor die müssen Sie und ich ziehen, wenn wir ein Problem haben mit einer staatlichen Regulierung. Warum sollten wir die mächtigsten Akteure unserer Gesellschaft, reiche Investoren, aus dieser Rechtsordnung herausnehmen und ihnen Sonderklagerechte geben?“

 

Wie geht es nun weiter?

Der nächste Schritt im Kampf gegen Sonderklagerechte für Konzerne wird in Deutschland voraussichtlich die vollständige Ratifizierung des EU-Kanada-Abkommens CETA sein. Sobald das Bundesverfassungsgericht über CETA entschieden hat – und wir wissen nicht, wann es das tut – ist davon auszugehen, dass die Regierung ein Ratifizierungsgesetz auf den Weg bringt.

Dann gilt es, den hunderttausenden Stimmen wieder Gehör zu verschaffen, die bereits vor Jahren gegen CETA protestierten. Dass das geht, hat Frankreich im Sommer dieses Jahres vorgemacht: Nach einer breiten und hochkontroversen Debatte fiel die Abstimmung in der französischen Nationalversammlung zwar für CETA, aber mit 266 Ja- zu 213 Nein-Stimmen überraschend knapp aus.

Auch in den Niederlanden regt sich Widerstand: Kürzlich hat auch die sozialdemokratische Partei ihre Unterstützung des Abkommens zurückgezogen, alle zehn Oppositionsparteien wollen nun gegen das Abkommen stimmen. Ob CETA auch in den deutschen Parlamenten – abstimmen müssen sowohl Bundestag als auch Bundesrat – auf nennenswerten Widerstand trifft, entscheiden in erster Linie Bündnis90/Die Grünen sowie Die LINKE: Beide Parteien haben sich auf Bundesebene immer gegen CETA ausgesprochen. Wenn die Landesregierungen, an denen Bündnis90/Die Grünen sowie Die LINKE beteiligt sind, dieser Linie folgen, wird CETA noch gestoppt.

Möglicherweise könnte auch die SPD noch eine handelspolitische Kehrtwende einschlagen: Die Sozialdemokraten wollen CETA zustimmen – allerdings befinden sie sich derzeit in der Stichwahl um einen neuen Parteivorsitz, und das Team Esken/Walter-Borjans äußerte sich sich sehr kritisch gegenüber dem EU-Kanada-Abkommen. Es bleibt also zu hoffen, dass sich die deutschen Sozialdemokraten zu einem handelspolitischen Kurswechsel durchringen und (wieder) klare Kante gegen Sonderklagerechte für Konzerne zeigen sowie gegen Abkommen, die einseitig Konzerninteressen bedienen. Dass und wie dies möglich ist, zeigen derzeit ihre niederländischen Genoss*innen.

 

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